Senat zum „Sprung über die Elbe“: Rolle rückwärts im neuen Rahmenkonzept

Senat legt Rahmenkonzept 2013+ zum „Sprung über die Elbe“ vor:

Der Stadtentwicklung die Grenzen aufgezeigt

Nach anfänglicher Weigerung  hatte die BSU Ende 2013 ihren damaligen Entwurf zum „Zukunftsbild Elbinseln 2013+“ schließlich doch öffentlich gemacht. Der Oberbaudirektor stellte es im Dezember im Bürgerhaus vor. Betont wurde, dass es sich um einen „Vorentwurf vor Behördenabstimmung“ handelte.
Jetzt liegt das Endergebnis vor als Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 30.9.2014.
Von Interesse ist zum einen, welche Veränderungen sich durch die Behördenabstimmung ergeben haben, zum anderen, welchen Einfluss das Beteiligungsverfahren „Perspektiven – Miteinander planen für die Elbinseln“ auf das Senatspapier nehmen konnte.

Dieses Konzept ist die Leitlinie für die Entwicklung Wilhelmsburgs und der Veddel in den nächsten 10 Jahren.

Eine gründliche Befassung versteht sich von selbst.
Der Text  erschließt sich jedoch nicht leicht. Die Darstellung des Ist-Zustandes und der Planungsteil vermischen sich. Es wimmelt von unverbindlichen Floskeln, wie:  Wir brauchen eine „integrierte Betrachtung von Stadt – und Verkehrsplanung“.

Im Kern jedoch steht die Erkenntnis:
Im neuen Rahmenkonzept hat sich die Wirtschaftsbehörde mit der  ihr unterstellten Verkehrsbehörde vollständig gegen die Wünsche aus der Stadtentwicklungsbehörde durchgesetzt. Wilhelmsburg  ist in erster Linie Hafen, Standort für Industrie und Gewerbe, sowie deren Verkehrsraum.
Die Visionen der von den Bürgern erkämpften  Zukunftskonferenz Wilhelmsburg 2001/2002, der darauf folgenden Internationalen Entwurfswerkstatt zum „Sprung über die Elbe“ 2003 und sogar das Rahmenkonzept  des Senats von 2005 werden gründlich entsorgt. Die Elbinsel ist hinsichtlich ihrer Funktionsbeschreibung wieder im letzten Jahrtausend angekommen.

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Mit dieser Grafik zur Hafengebietsgrenze wird unmissverständlich unterstrichen: Dies ist die Tabugrenze für die “Begehrlichkeiten von Stadtplanern und Architekten“.

Im Vergleich zum Rahmenkonzept von 2005 wird dieser roll back der Stadtentwicklung in Hamburg besonders deutlich:

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Damals wurden u.a. der Kleine Grasbrook, der Spreehafen, der Wilhelmsburger Westen bis zum Reiherstieg, der äußere Veringkanal und das Südufer der Elbinsel als „Potentialgebiete im Wandel“ definiert. (In der Grafik dunkelblau).

Mithilfe der IBA-Hamburg sollte hier das Mit- und Nebeneinander von Stadt und Hafen neu geordnet und gestaltet werden. So wurden für die Hafencity oder im Harburger Binnenhafen große Areale aus der Hafennutzung entlassen. In Wilhelmsburg dagegen will der Hafen weiterhin keinen einzigen Quadratmeter rausrücken. Das wird durch das Rahmenkonzept festgeschrieben.

Dabei beruft man sich sogar auf den Bürgerwillen: „Die Leitlinie, gewerbliche Nutzungen… sowohl innerhalb als auch außerhalb des Hafengebietes zu schützen und weiterzuentwickeln, deckt sich mit den Forderungen der lokalen Gewerbetreibenden im Beteiligungsprozess.“
Tatsächlich waren es nicht die „lokalen  Gewerbetreibenden“, sondern der Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V., der über die Themengruppe „Wirtschaft“  im Beteiligungsprozess „Perspektiven“ seine „Anforderungen der Hafenwirtschaft im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung auf den Elbinseln“ einspeiste. Es dürfe zu keinerlei Beeinträchtigungen der laufenden Betriebe kommen, einschließlich Lärm, Licht, Gefahrgütern, Gestank, Emissionen jeglicher Art und Verkehr – und das 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche.

Wie eine Planung aussieht, „ohne, dass es zu Einschränkungen für Gewerbe- und Industriebetriebe kommt“ zeigen einige Beispiele:

•    Einen Lösungsvorschlag für den Gestank durch die Nordischen Ölwerke sucht man vergeblich, obwohl das Papier disagnostiziert: „für weite Teile Wilhelmsburgs (werden) die Werte der Geruchsimmisinsrichtlinie (GIRL) überschritten“.

•    Betriebsverlagerungen zugunsten von Wohnungsbau in der Wilhelmsburger Mitte werden so gut wie ausgeschlossen.

•    Hoffnungen auf ein LKW-Durchfahrtsverbot an der Harburge Chaussee oder anderswo wird eine Absage erteilt.

HPA selbst hatte 2010 den Vorschlag gemacht, für eine Verringerung des Schwerlastverkehrs Durchfahrtsverbote für LKW über 7,5 Tonnen auf nahezu allen Stadtstraßen im Wilhelmsburger Westen und durch die Wilhelmsburger Mitte zu verfügen. Darunter die Harburger Chaussee, die Neuhöfer Straße, die gesamte Georg Wilhelmsstraße, Neuhöfer Straße, Vogelhüttendeich und Fährstraße. Begründung: Diese Straßenzüge seien für die Hafenverkehre nicht essentiell.

Die folgende Grafik findet sich auf  Seite 70 im „Masterplan Straßenverkehr Hafen Hamburg“ – HPA 2010:

Masterplan Straße HPA

•    Im Gegenteil: Für den „Schwerlastverkehr mit Hafenbezug“ soll es in der Mitte Wilhelmsburgs neben der verlegten Reichsstraße eine zusätzliche „Nord-Süd-Achse“ geben . Dazu soll die Dratelnstraße zu einer „Hauptverkehrsstraße“ ausgebaut werden. Sie soll die Funktion „einer Route für die äußere Haupterschließung“ bekommen.  Sogar hier hat man den Schneid, sich auf die „Forderungen im Beteiligungsprozess“ zu berufen.

Nord-Süd-Achse

Rahmenkonzept 2013+, Seite 43

•    Natürlich wird  auch eine weitere Autobahn im Süden der Insel begrüßt: Die Verlängerung der A26-Hafenquerspange. Sie sei Teil eines „konfliktarmen überregionalen Netzes“.

Noch ein Blick auf das zentrale Thema „Wohnen“:  Auf die Vorschläge der Themengruppe Wohnen zur bedarfsgerechten Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum geht das Senatspapier nicht ein. Es bleibt beim Verweis auf den, von der Themengruppe ausführlich kritisierten, Senatsbeschluss zum „Drittelmix“ beim Wohnungsneubau.

Bürgerbeteiligung beim Rahmenkonzept 2013+? Selten klaffen Anspruch und Ergebnis derart auseinander wie beim hochgelobten Beteiligungsprozess „Perspektiven“.

 Quellen:

Das Rahmenkonzept 2013+ als Senatsdrucksache vom 30.9.2014

Anmerkungen zum Rahmenkonzept von Manuel Humburg – Stand 27.9.2014

Verein Zukunft Elbinse-Pressemitteilung 6.11.2014

Perspektiven Ergebnisbericht 2014

Unternehmens Verband Hafenwirtschaft-Anforderung-Hafenwirtschaft-Elbinseln

Masterplan_Strassen_Hafen – hpa 2010

 

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