Baustellen: Baukultur und Bürgerbeteiligung

***Dirk Holm ***

Am 30. Mai 2024 hatte die Hamburger Stiftung Baukultur (HSBK) zu einem Baukultur-Forum mit dem Thema: # BAUSTELLE eingeladen.

Davon gibt es ja bekanntlich reichlich in der Hansestadt. Und so standen auch mehrere Initiatoren bzw. Auftraggeber von aktuellen Infrastrukturprojekten in Hamburg Rede und Antwort. U.a. aus der Verkehrsbehörde, der Energiewerke und der Projekt-Realisierungsgesellschaft Hamburg.

Unter baukulturellen Gesichtspunkten standen dabei die Forderungen nach Transparenz, besserer Koordination, Kommunikation und Bürgerbeteiligung ganz oben auf der Wunschliste.

Vom Verein Zukunft war Dirk Holm an der Veranstaltung dabei. In einem Brief an die Veranstalter von der HSBK fasst er seine Eindrücke zusammen, berichtet anschaulich von Wilhelmsburger Erfahrungen in der Vergangenheit und überreicht eine Zusammenstellung der anstehenden Großprojekte – verbunden mit der Hoffnung auf mehr Transparenz, Koordination und Bürgerbeteiligung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Beispiel: Bahnbrücke über die Süderelbe

Im November `22 veranstaltete die Deutsche Bahn eine Informationsveranstaltung in Harburg über ihre Pläne zum Neubau der Brücke. Anwesend waren ca. einhundert Interessierte. Hätte die Bahn angemessen Werbung für ihre Veranstaltung gemacht, wären es sicher weitaus mehr gewesen.

Als Bürger*innen erfuhren wir eher zufällig von dem Termin, da die Bahn nur wenige Handzettel dazu verteilt hatte. Und die hauptsächlich auf der Harburger Seite. Der Projektleiter der Bahn erklärte u.a., dass für den Bau auf beiden Seiten der Süderelbe erhebliche Flächen links und rechts der Trasse in Anspruch genommen werden müssten. Die betroffenen Anlieger erfuhren vorab allerdings weder etwas von der Veranstaltung, noch davon, dass sie ihre Immobilien bzw. Gelände werden räumen müssen. Diesen Umstand haben ihnen Mitglieder von lokalen Bürgerinitiativen, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, später erläutert. Konkret ging es um den Wohnmobilstellplatz in Finkenriek an der Süderelbe. Und damit verbunden den Standort der örtlichen Deichwacht. Auch ein Motorradclub, ein Kickboxcenter sowie der Hamburgische Ju-Jutsu Verband seien betroffen. Weiterhin einige Privatpersonen, deren Grundstücke am Rande der geplanten Trasse liegen. Auf auf der Harburger Elbseite seien voraussichtlich die Hausbootwerft sowie weitere Eigentümer betroffen. Die betroffenen Anlieger waren von unserer Benachrichtigung entsprechend schockiert. Offizielle Stellen hätten sich bis dahin nicht bei ihnen gemeldet und das Gespräch gesucht.

Beispiel: Logistikimmobilie in Wilhelmsburg

Auf dem Gelände des Getränkeherstellers Refresco (ex Punica) am Reiherstieg Hauptdeich bzw. Wollkämmerei, wurde von dem Investor Four Parx ein „strategischer Standort mit 123.000 m² Mietfläche für Logistik, Gewerbe und Produktion“ gebaut. Ein zweistöckiges Logistikgebäude von 20 Meter Höhe. Es beinhaltet 100 Laderampen für LKW, „davon entfallen 50 Tore auf die untere Hallenebene und weitere 50 Tore auf die obere Hallenebene. Die obere Ebene erreichen 45-to-LKW ganzjährig über eine beheizbare Rampe„.

Foto: Webseite von Four Parx

 

Ich konnte mich dabei allerdings nicht über die „sehr konstruktive Zusammenarbeit der Stadt Hamburg sowie den zuständigen Behörden“ mit den Projektentwicklern freuen. Die (Wilhelmsburger) Bürgerschaft hat bei der Genehmigung dieses Riesenprojektes auf Wilhelmsburger Gebiet wie üblich keine Rolle gespielt!

Das fragliche Areal ist als Industriegebiet ausgewiesen. Und zwar in dem Baustufen bzw. Bebauungsplan B63 vom April 1956. Ich hätte mir sehr gut eine Umwidmung des Geländes zum Wohngebiet vorstellen können. Wo doch entsprechende Flächen knapp, teuer und schwer zu finden sind. Wie viele Wohnungen hätte man auf der Fläche von 12,3 Hektar wohl errichten können, ohne dafür bedeutende Natur- und Erholungsflächen (wie z.B. den „Wilden Wald“ am Ernst-August-Kanal) opfern zu müssen? Stattdessen wurde ohne öffentliche Information, geschweige denn Debatte, der Bau beschlossen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst, als die Bauarbeiten bereits begonnen hatten.

„Nebenbei“ verursacht das Logistikzentrum erhebliche zusätzlich Schwerverkehre, mitten über die Insel. Als ob wir davon nicht schon genug hätten. Von den Auswirkungen auf Mensch und Umwelt ganz zu schweigen.

Mehr zu dem Four Parx Projekt in einem Artikel vom 4.11.2019

 

All die Beteuerungen für Bürgerbeteiligung einzutreten, erwiesen sich in der Vergangenheit oft genug als Worthülsen. Wenn es denn „Bürgerbeteiligung“ gab, z.B. bei der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, bezog sie sich allein auf das wie. Nicht auf das ob. Und selbst diverse gut begründete konstruktive Vorschläge, wie die Umsetzung des Baus verträglicher gestaltet werden könnte, wurden am Ende ignoriert. Es ist also nicht nur eine Frage der Kommunikation, sondern auch nach der Qualität demokratischer Prozesse.

24 Wilhelmsburger Großbaustellen in Planung

Zum Schluss möchte ich sie noch auf eine Zusammenstellung von Bauprojekten auf Wilhelmsburg hinweisen, die für die nächste Zeit geplant sind oder werden (Anhang der Mail die Karte Großbaustelle Wilhelmsburg von 2023, D.H.). Zum Teil sind sie bereits in der Umsetzung. Dabei ist mir unter anderem der Punkt der Koordination der Projekte besonders wichtig. Eine solche findet bislang nämlich nicht statt. Was schier unglaublich erscheint, angesichts deren Vielzahl und Ausmaß. Ich sprach darüber kurz mit Herrn Liebig (neuer Geschäftsführer der REGE, D.H.). Er meinte, das habe man auf dem Schirm. Ich hatte leider keine Gelegenheit mehr ihn zu fragen, was das konkret bedeutet.


10 Jahre Großbaustelle Elbinseln – Flyer

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24 Großbaustellen für Wilhelmsburg – Hamburger Abendblatt 22.Mai 2023

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