Position zur A26-Ost /Hafenquerspange im Bundesverkehrswegeplan 2030 ***
von Michael Rothschuh, Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg ***
Die A26-Ost/Hafenquerspange ist in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Noch in diesem Jahr wird der Bundestag entscheiden, ob sie auch in die Bedarfspläne übernommen wird und tatsächlich auch finanziert werden soll.
Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg und zahlreiche engagierte Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger und auch die anderen betroffenen Stadtteile mischen sich mit Aktionen vor Ort in die laufende Debatte ein und nehmen Stellung. Am 15. September findet dazu ein „Pegelstand Elbinsel“ als Diskussionsforum mit unseren Bundestagsabgeordneten statt.
Hamburg hat der Welt 2015 anlässlich der Olympiabewerbung nachhaltige und für das 21. Jahrhundert angemessene Vorstellungen für Verkehr und Stadtentwicklung präsentiert. Nach dem Mobilitätskonzept soll der Verkehr, klimafreundlich, effizient, sicher, stadtverträglich, verkehrssparsam, innovativ und barrierefrei gestaltet werden.
Es gibt in Hamburg konkrete Schritte, die in diese Richtung weisen: Der ÖPNV insbesondere auf der Schiene wird von den Menschen immer stärker angenommen, sie fahren auch mehr mit dem Rad, im Hafen gewinnt der Transport mit der Bahn gegenüber dem LKW an Gewicht, Leercontainer werden auch auf Barkassen transportiert.
Mit einem riesigen Projekt wird die Schneise, die die Nord-Süd-Autobahn A7 durch die Stadt geschlagen hat, zwar noch einmal verbreitert, aber dann durch einen begrünten Deckel in ihrer Wirkung gemäßigt, ein Projekt, das von einer Bürgerinitiative „Ohne Dach ist Krach“ seit über 20 Jahren – mit Unterstützung auch des jetzigen Bürgermeisters – vorangetrieben wurde. Den Fehler, der die mühsame, viele Hundert Millionen Euro verschlingende und doch nur notdürftige „Stadtreparatur“ notwendig macht, hat der frühere Wirtschaftssenator Gedaschko auf den Punkt gebracht:
„Das Grundübel ist eine falsche strategische Ausrichtung der Verkehrswege in dieser Stadt in der Vergangenheit. Es war völlig falsch zu sagen: Es muss jede Autobahn quer durch Hamburg gehen. Damit hat man künstlich einen Staubsaugereffekt für den gesamten Verkehr geschaffen. Und wenn auf einer der Autobahnen ein Stau entsteht, was täglich passiert, weicht sofort der ganze Verkehr mitten in die Stadt aus.“ (Gedaschko, Die Welt, 7.7.2007)
Die nun im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene A26-Ost – eine neue Autobahn quer durch Hamburgs Mitte, durch Wohngebiete und potenzielle Wohnbauflächen, durch noch erhaltene Naturgebiete, eine Konkurrenz zur übervollen S-Bahn – erscheint demgegenüber als völlig aus der Zeit gefallen.
In der Tat wäre sie nicht verständlich ohne ihre teilweise bis in die 1930er Jahre zurück reichende Geschichte. Im Schulatlas von 1943 war eine Autobahn mitten durch das Reiherstiegviertel als Teil eines Autobahnrings eingezeichnet; 1979 sollte sie als letztes vom Stadtautobahn-Programm verbliebendes Projekt durch den Wilhelmsburger Norden führen, mit der Hoffnung, dadurch den Ost-West-Verkehr durch die Hamburger Innenstadt zu bändigen; ab 2005 ging es angesichts des bis 2007 anhaltenden Containerbooms um den vermeintlich fortwährend wachsenden Hafenverkehr. 2008 stellte der damalige CDU-Senat ihre Linie zur Disposition; der neue schwarz-grüne Senat veranlasste 2010, gegen den Willen der Bürger*innengruppen und die deutliche Kritik der damaligen Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg, eine neue Linienbestimmung durch Moorburg und den Wilhelmsburger Süden. Diese nun A26 genannte Autobahn ist von der Bundesregierung am 3.8.2016 im Bundesverkehrswegeplan 2030 in den „vordringlichen Bedarf“ eingetragen worden.
Dies erscheint vielen Hamburger Politikerinnen und Politikern als ein solcher Erfolg, dass jede Diskussion über die verkehrlichen, ökologischen und städtebaulichen Folgen gemieden wird. Hamburg und die Hamburger Wirtschaft würde nahezu ohne eigene Kosten ein Milliarden schweres Bauprojekt bekommen, scheinbar vom Bund „geschenkt“– und einem geschenkten Gaul schaut man nicht gerne ins Maul.
Wiederholt würde mit dieser West-Ost-Autobahn A26 exakt der Fehler des Baus der Nord-Süd-Autobahn A7 mitten durch die Stadt.
1. Der Hafenverkehr braucht keine neue Autobahn
Die Einstufung der Autobahn in den vordringlichen Bedarf wird vor allem mit der Verbindung zum Seehafen Hamburg begründet. Die Planung war seit 2005 von einer jährlichen Steigerung des Containerumschlags um 10%, einer entsprechenden Steigerung des Hafenverkehrs sowie dem Neubau von ein bis zwei Containerterminals (CT) ausgegangen. Tatsächlich bleiben sowohl Containerumschlag als auch LKW-Verkehr auf den wichtigsten Hafenrouten seit 10 Jahren auf gleichem Niveau, die Terminal-Planungen wurden aufgegeben. Für 2015 waren für den Containerumschlag Hamburgs 18 Mio. TEU prognostiziert, es sind gerade einmal die Hälfte umgeschlagen worden. Dementsprechend sinken auch die für die A26-Ost prognostizierten LKW-Verkehrsstärken: Hamburg war bei der Planung für 2025 von ca. 13.000 LKW je Tag ausgegangen, im BVWP-Dossier des Bundesverkehrsministeriums werden für 2030 nun 5.100 LKW je Tag erwartet, von dem vielleicht 2-3.000 mit dem Hafen zu tun haben.
Die A26-Ost hat keine wesentliche Bedeutung für den Seehafen-Hinterlandverkehr. Eine Autobahn durch den Südteil des Hafens ist kein Ersatz für die über die Köhlbrandbrücke führende Haupt-Hafenroute, die im Koalitionsvertrag des SPD-Grünen-Senats zu Recht „Lebensader des Hafens“ genannt wird.
Diese Haupt-Hafenroute muss erhalten und verbessert werden: im Westen durch die Nachfolgelösung für die Köhlbrandbrücke, für die der Senat zu Recht eine finanzielle Unterstützung des Bundes anstrebt; im Osten durch eine getunnelte Südanbindung des Veddeler Damms an die A 252, wie sie bei der Olympiaplanung entwickelt wurde.
Für die Stärkung der Haupt-Hafenroute, nicht aber für eine A26-Ost, die für die Seehafenanbindung kaum Relevanz hat, braucht Hamburg Geld vom Bund.
2. Die A 26-Ost zieht Personenverkehr von der S-Bahn auf die Straße.
Nach der Beschreibung im BVWP-Dossier führt die A26-Ost zu 68 Mio. PKW-Kilometer/Jahr durch die Autobahn „induziertem Verkehr“ und von anderen Verkehrsträgern „verlagertem Verkehr“, also Verkehr, der ohne die neue Autobahn nicht auf der Straße wäre. Das ist fast so viel PKW-Verkehr, wie er für die A26-Ost veranschlagt ist.
Man sät Autobahnen und erntet mehr Motorisierten Individualverkehr (MIV), der die Straßen und Plätze im Ballungsraum Hamburg verstopft.
Im Wesentlichen würde dieser Verkehr von der parallelen S-Bahn auf die Autobahn abgezogen werden.
Dies widerspricht diametral den von Hamburg formulierten Grundsätzen einer nachhaltigen, klimafreundlichen, stadtgerechten und verkehrssparsamen Gestaltung des Verkehrs.
Alternativen sind der Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) durch eine attraktivere und verstärkte S-Bahn und Regionalbahn (Metronom), eine bessere Anbindung der Stationen per Bus und Fahrrad sowie eine Verlängerung der U-Bahn 4 über Wilhelmsburg nach Harburg.
3. Die A26-Ost ist kein „Lückenschluss“ im Autobahnnetz.
Die Autobahn ist kein notwendiger „Lückenschluss“ zwischen A7 und A1, wie Hamburg in der Anmeldung der A26-Ost geschrieben hat. Hamburg und sein Hafen sind gut versorgt mit einem Autobahnnetz in alle Richtungen, das durch den derzeitigen Ausbau der A7 noch leistungsfähiger wird. Wenige Kilometer weiter südlich verknüpft zudem das Maschener Kreuz die A7 mit der A1. Die Erfahrung zeigt: Eine Großstadt wird besser über Autobahnen umfahren als durch Autobahnen durchschnitten. Sonst holt man sich immer mehr MIV mitten in die Stadt.
4. Eine zusätzliche Autobahn durch die Stadt gefährdet Wohnungsbau und Stadtentwicklung.
Die Bundesregierung hat zu Recht die noch im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans behauptete „sehr hohe städtebauliche Wirkung“ der A26-Ost gestrichen. Für die Bewohner der durch die Autobahn durchschnittenen Stadtteile Moorburg und Wilhelmsburg verschlechtern sich die Lebensbedingungen. Die Großsiedlung Kirchdorf-Süd mit 6000 Menschen wäre eingequetscht in ein Autobahndreieck. Keine Straße würde zurück gebaut. Selbst die gewisse Entlastung für die B73 in Harburg beseitigt aufgrund deren Lage neben der Bahn nicht deren Zerschneidungswirkung für Harburg.
Die Autobahn A26-Ost verhindert die innere Stadtentwicklung und dringend benötigten Wohnungsbau, wie ihn die IBA und die Handelskammer unmittelbar an (Hauland) bzw. auf der Trasse (südlich der Kornweide) vorgesehen haben.
5. Die A26-Ost gefährdet die Umwelt und den Klimaschutz.
Die vom Gesetz geforderte Strategische Umweltprüfung ist auf der Datengrundlage des BVWP nicht möglich. Zudem hat eine ernsthafte Prüfung von vernünftigen Alternativen nicht stattgefunden.
Alle Daten zum Schutz von Umwelt und Klima sprechen gegen die Autobahn. Es gibt entgegen der in der Anmeldung genannten Zielsetzung mehr Schadstoffbelastung, mehr CO2-Ausstoß, mehr Lärm und mehr Flächenverbrauch, weshalb u.a. das Umweltbundesamt den Bau dieser Autobahn A26-Ost ablehnt. Bei der überwiegend aufgeständerten Autobahn werden Lärm und Schadstoffe über Moorburg, Wilhelmsburg und Harburg verbreitet.
Naturschutz und Artenschutz werden durch die Autobahn erheblich gefährdet. NABU und BUND nehmen deshalb kritisch Stellung und erwägen zu Recht eine Klage gegen die A26-Ost.
6. Ein realistisches Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt eher unter 1,0 als bei 3.3.
Das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) ist im BVWP mit 3,3 beziffert. Tatsächlich ist der Nutzen auch nach den Regeln des BVWP zu hoch angesetzt, insb. bei dem mit fast 500 Millionen Euro behaupteten „impliziten Nutzen durch mehr Mobilität“.
Die genannten Kosten berücksichtigen weder Preissteigerungen noch die Regeln kostenstabilen Bauens. Zieht man als Referenzprojekt die neue Wilhelmsburger Reichsstraße heran – sie ist von der DEGES im Verbund mit der A26-Ost auf dem gleichen Baugrund geplant – und betrachtet deren Kostensteigerung bereits lange vor ihrer Fertigstellung von mit dem Bund vereinbarten 67 auf derzeit 235 Mio.€, ergibt sich für die A26-Ost ein NKV unter 1,0.
Entsprechend Forderungen des Bundesrechnungshofs ist eine neue Plausibilisierung der Kosten erforderlich.
Resümee
1. Notwendig ist eine Neuberechnung der Kosten nach den Regeln des kostenstabilen Bauens und anhand der Erfahrungen mit dem parallelen Bauprojekt der B75 Wilhelmsburger Reichsstraße.
2. Erforderlich ist ein Sondergutachten zum „induzierten Verkehr“ und „impliziten Nutzen“ auf der A26-Ost.
3. Die Alternativen müssen vorangebracht werden: Planung einer Nachfolge der Köhlbrandbrücke mit Hilfe von Bundesmitteln, Anbindung des Veddeler Damms an die B75 durch einen Tunnel sowie Verstärkung der S-Bahn und Erweiterung des ÖPNV.
Die A26-Ost darf nicht in die Bedarfspläne, schon gar nicht mit Vorrang, aufgenommen werden.
Kurzfassung der Broschüre als pdf:
Die gesamte Broschüre – 44 Seiten – mit Auszug aus dem PRINS (Projektinformationssystem) als Anhang:
Zukunft_Elbinsel_Rothschuh_HQS_im_BVWP-mit_PRINS-Dossier
Eine umfangreiche Material – und Quellensammlung zum Thema findet sich hier
Dieser Ausarbeitung ist nichts hinzuzufügen. Ich schließe mich den Argumenten voll und ganz an.
Henry Wiencken