Für Wohnungsbau soll jetzt auch der „Nachtigallen-Wald“ am Spreehafen geopfert werden***
Was bleibt von der grünen Insel Wilhelmsburg?***
Donnerstag, 22. Februar 2018 – 19 Uhr
Honigfabrik, Industriestr. 125-131, Hamburg-Wilhelmsburg***
Gesprächspartner*innen:
- Hans Gabányi – Amt für Naturschutz, Grünplanung und Energie in der Behörde für Umweltschutz und Energie
- Karen Pein – IBA-Hamburg, Projektträger für das „Spreehafenviertel“
- Malte Siegert – Naturschutzverband NABU Hamburg
- Heike Sudmann – Bürgerschaftsabgeordnete DIE LINKE, Ressort Stadtentwicklung
- Michael Weinreich – Bürgerschaftsabgeordneter SPD, Wilhelmsburg
- Alexandra Werdes – Initiative Waldretter
Einführung, Harald Köpke – BUND Wilhelmsburg
Moderation: Hartmut Sauer, Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e.V.
„Natürlich Hamburg“ heißt das auf 14 Jahre angelegte Großprojekt, für welches das Bundesumweltministerium hamburgweit bis 2031 knapp 22 Millionen Euro ausgibt. Während dieser Geldsegen für wildere Grünflächen sorgen und das Artensterben eindämmen soll, finden sich im Norden des Reiherstiegviertels zwei wilde Wälder, die seit Jahrzehnten völlig ohne Sponsoring aus sich heraus gewachsen sind und in ihrer Ursprünglichkeit einzigartig sind. Diese sind nicht durch Wege oder andere Infrastruktur erschlossen, sind darum für Tiere und Pflanzen besonders wertvoll und haben für Menschen ihren besonderen Charme. Sie bilden auch einen Lärmpuffer zur stark befahrenen Harburger Chaussee und eine grüne Lunge im immissionsbelasteten Wilhelmsburg.
Diese Wälder mit ihren Nachtigallen, Fledermäusen und Eisvögeln sollen nun dem Wohnungsbau im von der IBA Hamburg geplanten sogenannten „Spreehafenviertel“ geopfert werden.
Gegen diese Planung hat sich die Bürgerinitiative „Waldretter“ in Wilhelmsburg gegründet mit dem Standpunkt, dass Wohnungsnot und Naturschutz nicht gegen einander ausgespielt werden dürfen. Eine zukunftsweisende Stadtplanung muss beides unter einen Hut bekommen: mehr bezahlbaren Wohnraum und geschützte Naturräume.
Wilhelmsburg, vom Stadtmarketing immer gern als grüne Insel gepriesen, hat in den letzten Jahren immense Grünverluste hinnehmen müssen. Harald Köpke (BUND) wird einen Überblick dazu geben.
Auf dem „Pegelstand“ soll mit Expert*Innen Antworten gefunden werden, wie Wohnungsbau und Naturerhalt zusammen passen.
Dieser PEGELSTAND ist eine Kooperation von Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e.V. und der Initiative „Waldretter“, die die Grüne Lunge am Spreehafen erhalten will.
Mehr Infos: www.zukunft-elbinsel.de und www.waldretter.de
Kontakte: info@zukunft-elbinsel.de und info@waldretter.de
Einladung als pdf:
2018-02-22-Naturerhalt und-Wohnungsbau_im-Spreehafenviertel
Bilder vom 22.2.2018 im vollen Saal der Honigfabrik:
Alexandra Werdes – Initiative Waldretter – Statement am 22.2.2018:
Waldretter_Pegelstand_Statement_Druckversion
„Spreehafenviertel: Forderung nach Planungsstopp“
Bericht über die Veranstaltung im Wilhelmsburger Insel Rundblick März-2018:
Die Planungen für das Spreehafenviertel finden sich hier:
Geplantes „Spreehafenviertel“: Auf 20 ha sollen 1000 Wohnungen und Gewerbe zwischen Spreehafen und Ernst August Kanal entstehen. Ein Großteil der Fläche ist derzeit bewaldet.
Foto – Ausschnitt: IBA, Bildagentur Hamburg/Matthias Fri
In der November-Ausgabe 2017 des WIR (Wilhelmsburger InselRundblick) findet sich eine vielstimmige
Kritik an der Planung
und eine Kampagne zum Erhalt von „Wilhelmsburgs wilder Wald“:
WIR 11_2017
„Konterkarierter Bürgerwille“
Artikel in der taz am 20.12.2017 von Darijana Hahn
„1000 Wohnungen am Spreehafen: Das große Ding in Wilhelmsburg“
BILD am 28.1.2018
Mit „Perspektiven! Miteinander planen für die Elbinsel“ betreibt das Bezirksamt Hamburg Mitte seit einigen Jahren ein Projekt für „Bürgerbeteilung“ auf der Insel. Ob es sich dabei um
„Planung auf Augenhöhe?“
handelt, untersucht Marianne Groß in einem Kommentar im Wilhelmsburger Inselrundblick vom Januar 2018:
2018 01-Beteiligung-auf-Augenhöhe
Grundlage der Planungen ist der Senatsbeschluss vom „Zukunftsbild Elbinsel 2013+“.
Von Behördenseite heißt es immer wieder, auch dieses Rahmenkonzept sei damals mit intensiver Bürgerbeteiligung zu Stande gekommen.
Richtig ist, dass im Winterhalbjahr 2013/2014 im Rahmen von „Perspektiven!“ von mehreren Arbeitsgruppen Vorschläge und Forderungen zur Zukunftsentwicklung erarbeitet wurden, die als „Ergebnisbericht“ der Senatorin für Stadtentwicklung übergeben wurden.
Bei der folgenden Behördenabstimmung ist davon allerdings nicht sehr viel übrig geblieben. Vielmehr haben sich weitgehend ein Forderungspapier des Unternehmensverband Hafen Hamburg sowie die Positionen des Industrieverbandes Hamburg und der Verkehrsbehörde durchgesetzt.
Einem breiten Bündnis aus Wilhelmsburg gelang es, eine Änhörung dazu im Stadtentwicklungsausschuss am 18.12.2014 durchzusetzen.
30 Wilhelmsburger*innen ergriffen damals das Wort, haben noch einmal ihre Vorschläge und Forderungen erläutert und am 18.12.2014 dem Senat 30 x die Rote Karte für das Zukunftsbild 2013+ gezeigt.
Ein Bericht über die Anhörung mit Wortprotokoll der Redebeiträge und mit einer umfangreichen Materialsammlung findet sich hier:
Zukunftsbild 2013+: Senatsdrucksache 20-13206
Kritik am Senatsbeschluss – Arbeitspapier von Manuel Humburg:
der-stadtentwicklung-die-grenzen-aufgezeigt
Rückblick 2013: Kampf um den Erhalt der Grünen Lunge am Assmannkanal
Vor dem „Spreehafenviertel“ befassten sich die IBA-Planer mit dem südlich angrenzenden Projektgebiet „Nord-Süd-Achse“, das Wohnungsbau am Assmann-Kanal vorsieht. Auch hier drohten Grünverluste und der Verlust zahlreicher Kleingärten.
Am 16.Dezember 2013 überreichten die Kleingartenvereine dem Oberbaudirektor Jörn Walter ihr „Manifest der Kleingärtner“ bei einer öffentlichen Veranstaltung im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Darin heißt es:
Die Kleingärtner wehren sich dagegen, als Flächenreserve, Manövriermasse, Spekulationsgebiet und Spielball betrachtet zu werden. Wir haben unsere Gärten schon immer als öffentlich zugänglichen Erholungsraum verstanden.
Für rund 20 000 Menschen, die im Reiherstiegviertel leben, ist der Assmannkanal das Freizeit- und Erholungsareal der kurzen Wege und ihre wichtigste grüne Lunge.
Hier werden die Wohngebiete gegen die Wilhelmsburger Reichsstraße und die dahinter liegenden Industriegebiete abgeschottet.
Hier mehr zum Kampf um die Flächen in Wilhelmsburg u.a. mit der Stellungnahme des Unternehmensverband Hafen Hamburg und dem Manifest der Kleingärtner am Assmannkanal – Artikel vom Dezember 2013:
Anforderungen an Wohnungsbau auf den Elbinseln:
1. Bedarfsgerechter Wohnungsneubau
2. Gesundes Wohnumfeld mit Grünerhalt, gesunder Luft…
3. Flächenalternativen im Wilhelmsburger Westen und Süden einbeziehen
In der Arbeitsgruppe „Wohnen und mehr“ wurden 2013/2014 – aus Sicht der Bewohner – die Anforderungen für gute Wohnperspektiven auf der Elbinsel formuliert. Siehe das Kapitel Wohnen im Ergebnisbericht von „Perspektiven!“:
wohnperspektiven-fuer-die-menschen-auf-den-elbinseln
In den „12 Kernforderungen“ heißt es
zum Thema Wohnungsneubau:
„Angesichts der überdurchschnittlich wachsenden Bevölkerung auf den Elbinseln (zwischen 2000 und 2016 hat die Bevölkerung um 9000 Menschen zugenommen) sind erhebliche Anstrengungen auch im Wohnungsneubau unabdingbar. Ziel muss vor allem eine bedarfsgerechte Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum sein.
Voraussetzung ist eine aktuelle und prospektive Bedarfsanalyse noch in dieser Legislaturperiode – also bis Februar 2015. Weitere Analysen müssen den laufenden Prozess kontinuierlich begleiten.
Wir fordern damit ausdrücklich eine Abkehr vom Ansatz der IBA, die sich mit ihren Strategien zur Aufwertung vor allem an den Interessen von Investoren in der Immobilienwirtschaft orientiert hat.
Wir halten dabei die Einhaltung folgender Mindeststandards für unabdingbar:
Die Zahl der Wohnungen mit Mietpreisbindung darf in Wilhelmsburg nicht unter die Grenze der derzeit vorhandenen 6463 fallen. Deshalb muss es für die bis zum Jahr 2018 aus der Sozialbindung fallenden 4128 Wohneinheiten eine Verlängerung der Sozialbindung geben.
Weitere Wohnungen, die aus der Mietpreisbindung fallen, müssen durch entsprechenden Neubau ersetzt werden oder ebenfalls eine Verlängerung erfahren. Für Wohnungsneubau in Wilhelmsburg muss – abweichend vom Hamburger sog. „Drittelmix“ – eine Quote von über 50 % Wohn-Finanzierung im 1. und 2. Förderungsweg erreicht werden. Laufzeiten der
Sozialbindung von 30 Jahren wie im Weltquartier müssen wieder zum Standard werden.
Darüber hinaus brauchen wir eine Quotierung für Wohnungsnotfälle in allen neuen Wohnprojekten von mindestens 10 %.
Auch Wanderarbeiter und Flüchtlinge haben Anspruch auf menschenwürdige Wohnverhältnisse und müssen als Wohnungsnotfälle“
zum Thema: Erhalt und weiterer Ausbau von Grün- und Erholungsflächen:
„Die erheblichen Belastungen der Wohngebiete durch Lärm, Verkehr, Luftschadstoffe – die baldige Inbetriebnahme von Deutschlands größtem Kohlekraftwerk in Moorburg wird zu einer dramatischen Zunahme vor allemder örtlichen Feinstaubbelastung führen – erfordern den Erhalt und den weiteren Ausbau von Grün- und Erholungsflächen auf den Elbinseln.
Dazu gehört aktuell die Verteidigung der grünen Lunge am Assmannkanal. Diese ist unabdingbar wegen ihrer zentralen Bedeutung für die Naherholung und das Kleinklima im Reiherstiegviertel.“
zum Thema Flächen-Alternativen:
„Neue Zukunftsbilder für den Wilhelmsburger Westen und den Wilhelmsburger Süden. Sowohl im Westen als auch im Süden Wilhelmsburgs müssen die derzeitigen starren Fronten zwischen Hafen und Stadt überwunden werden. Auch hier darf mögliche urbane Entwicklung
nicht dauerhaft von Unternehmensverbänden, Wirtschaftsbehörde und einer autistischen Verkehrsplanung blockiert werden.
Sowohl in den Bereichen Innerer und Äußerer Veringkanal/Reiherstieg als auch Süderelbe, Finkenriek, Hauland, Georg-Wilhelm Straße müssen – im Spannungsfeld zwischen Industrie und Hafenwirtschaft einerseits und den Bedürfnissen von Wohnen, Stadtentwicklung, Naherholung und Grün andererseits – neue verträgliche Nachbarschaften organisiert werden.“
Auszug aus den 12 Kernforderungen:
Gute-Perspektiven-für-Wohnen-und-mehr-Auszug-aus-den-12-Kernforderungen-vom-April-2014
Nachdem im Bürgerbeteiligungsverfahren zum sogenannten Spreehafenviertel genauso wie bei der A26 über die Köpfe der Wilhelmsburger hinweg bzw. gegen den Willen der Wilhelmsburger entschieden wurde, beweist dies wieder einmal mehr, dass die sogenannte Bürgerbeteiligung ohne wirkliche Bedeutung und Auswirkung ist. Das ist auf die Dauer sehr frustrierend und erzeugt eine gewisse Verdrossenheit sich in der Stadtteilpolitik zu engagieren. Wäre es nicht Zeit zu überlegen, ob gewisse Mittel zivilen Ungehorsams nicht öffentlichkeitswirksamer und damit für die Rettung des Wäldchens nicht effektiver wären?
Würde sich dafür eine kritische Menge Wilhelmsburger mobilisieren lassen? Ich weiß es nicht, denke aber schon länger immer wieder darüber nach.