Mit der geplanten Deich-Rückverlegung im Wilhelmsburger Osten wird eine rote Linie überschritten

Müssen Weißstorch und Schafstall für die geplante Deich-Rückverlegung weichen?

von Liesel Amelingmeyer und Michael Hubertus –

sie vertreten die Quartiere Goetjensort und Moorwerder im Wilhelmsburger Beirat für Stadtteilentwicklung***

Die Deiche rund um Wilhelmsburg haben Höhen zwischen 7,50 Meter und 8,35 Meter. In den nächsten Jahren muss dieser 24 km lange Ringdeich um die Elbinsel weiter erhöht werden: Wegen der erhöhten Wasserstände in der Nordsee und wegen der zunehmenden Elbvertiefung besteht die Gefahr höherer Sturmfluten bis nach Hamburg.

Eine Deich-Erhöhung ist immer auch mit einer Verbreiterung des Deichsockels verbunden. Das bedeutet einen Verlust an Naturraum, der an anderer Stelle ausgeglichen werden muss. Außerdem müssen die Deiche ins Landesinnere zurück verlegt werden, wenn zur Wasserseite zu wenig Platz ist.

Rückdeichung Kreetsand im Wilhelmsburger Osten.
Visualisierung IBA Hamburg

Als Kompensation solcher Maßnahmen wird gerne die Gelegenheit genutzt, bisher eingedeichte Flächen zu re-naturieren. So wurde bei der letzten Deicherhöhung vor 20 Jahren die Deichlinie im Bereich des Spülfeld Kreetsand im Wilhelmsburger Osten weit zurück gezogen und damit ein 30 Hektar (Fläche von ca 30 Fußballfeldern) großes Flachwassergebiet für die Tide frei gegeben. Diese Maßnahme ist bis dato nicht abgeschlossen.

Bei der jetzt geplanten Renaturierungs-Maßnahme, die wieder einmal mehr die Konsequenzen der Hamburger Deichpolitik aufwiegen sollen, wird erneut alleine der Wilhelmsburger Osten als Kompensationsgebiet ausgeschrieben. Es geht hier um das Gebiet „Ellerholz“. Das ist da, wo jetzt der Schafstall an der Grenze zu Moorwerder steht.

Bei der Auswahl der für Rückdeichung geeigneten Räume gilt es die vorhandenen Nutzungen, Siedlungsstrukturen und die bestehenden Kulturlandschaften zu berücksichtigen.

In einer Machbarkeitsstudie zu dieser geplanten Maßnahme im Wilhelmsburger Osten sprach sich der für den Bau zuständige Hamburger „Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer“ (LSBG) im Jahre 2017 für die Vorzugs-Bauvariante 3 aus. Die Begründung dafür liest sich allerdings wie eine Planung aus der Satellitenperspektive.

Handelt es sich bei größeren Teilen des für die Rückverlegung vorgesehen Areals doch um ein bereits offiziell geschütztes Biotop!

Dieses wurde als Ausgleich für Baumaßnahmen im Wilhelmsburger Westen während der Jahre der Internationalen Bauausstellung IBA geschaffen. Der Fachbegriff dafür lautet „Überplanung“ und bedeutet schlicht und einfach, ein vorhandenes Naturreservat mit dem einzigen Storch auf Wilhelmsburg würde „plattgemacht“, um andere naturschutzrechtliche Kompensationsverpflichtungen zu erfüllen.

Biotop Ellerholz mit Storchenfamilie – Foto: Eddy Winkelmann

 

Ein Panfeststellungsverfahren gibt es bisher nicht. Gleichwohl soll die Stadt Hamburg mit ihrem Landesbetrieb bereits Aufträge für die Umsetzung der Maßnahme in 2019 vergeben haben.

Nach bisherigem Kenntnisstand wurde nur der Sielverband Moorwerder von sich aus aktiv und forderte bereits 2018 Kompensationen für verloren zu gehende Flächen und damit einhergehende Einnahmen aus Pachtverträgen. Aber was ist mit den direkten Anwohnern des Planungsgebietes im Wilhelmsburger Osten, wie der Ringdeichsiedlung am Einlagedeich?

Warum überhaupt eine weitere Deichrückverlegung auf der Elbinsel? Und das an einer Stelle, wo Menschen und vorhandene Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen gleichermaßen gefährdet sind?

Wilhelmsburg hat mit der benachbarten Deichrückverlegung Kreetsand bereits seinen Beitrag geleistet. Die einseitige, rein elbökologische Betrachtungsweise der Verantwortlichen aus Behörden und Verbänden, verknüpft mit der Maßnahme, im Stromspaltungsgebiet der Elbinsel eine weitere Deichrückverlegung vorzunehmen, ist vollkommen unverständlich.

In Anbetracht des vorhandenen ausgewiesenen Biotops am Ellerholz konterkariert sie eine bereits stattgefundene ökologische Entwicklung des Gebietes im Einklang mit Mensch, Tier und Natur. Begründet wird das Vorhaben mit dem Ausgleich für Hochwasserschutz. Der Machbarkeitsstudie (S. 128) ist allerdings folgendes zu entnehmen: „Das Aufwertungspotential durch eine Deichrückverlegung übersteigt, je nach Variante, deutlich den Ausgleichsbedarf für den Hochwasserschutz.“ Wäre sie von daher gar entbehrlich?

Zusammenfassend kollidiert die Deichrückverlegung Ellerholz u.a mit:

  • einem bereits ausgewiesenen Biotop
  • den vorhandenen Siedlungsstrukturen und deren Verkehrserschließung
  • mit dem Schafsstall, der eine hohe Bedeutung für die Deichpflege im Stadtteil hat. Er würde der Maßnahme zum Opfer fallen
  • durch die lange Bauzeit mit der außerordentlich großen Rolle des Wilhelmsburgen Ostens für die Naherholung des gesamten Stadtteils
  • mit dem fehlenden Lokalbezug. Die Helikopterperspektive, die Politik, Behörden und Verbände hier einnehmen, zeugt von Unterschlagung, Negierung und Ignoranz der örtlichen Gegebenheiten.

Video von Eddy Winkelmann:

Ellerholz Wilhelmsburg

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