Bürgerbeteiligung: „Diesmal aber echt!“ – Was lernen aus 2009?

Ein neues Beteiligungsverfahren ist am Start.

Ein „Abschlussbericht“ von der Projektleitung des  gescheiterten Beteiligungsverfahrens von 2009 vermittelt hilfreiche Einsichten.

Will man es diesmal richtig machen, empfiehlt sich ein Blick auf frühere Verfahren, z.B. auf den„kooperativen Beteiligungsprozess zur Verkehrsplanung im Hamburger Süden“ 2009.

Protest am 9.11.2009

Protest bei der Info-Veranstaltung zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens am 9.11.2009
©Copyright Manfred Uliczka

Zuletzt hatte auch die Auftrag gebende damalige Senatorin ANJA HAJDUK den Beteiligungsprozess 2009 für gescheitert erklärt.

Audio-Mitschnitt von der Einwohnerversammlung am 27.1.2011

Anja Hajduk am 27.1.2011

Der Abschlussbericht des damaligen Moderators MARKUS BIRZER und des Organisationsbüros SUPERURBAN (Kontakt am Ende dieses Artikels) vom 7.1. 2010 lässt einige Konstruktionsfehler dieses Verfahrens erkennen.

Richtig werden in dem Bericht die konfliktgeladene Ausgangslage und das Verhältnis von Protest und Dialog beschrieben

Die geplanten Verkehrsprojekte im Hamburger Süden – im Schwerpunkt die Verlegung der Wilhelmsburger Reichstraße sowie die Planungen zur sog. Hafenquerspange – würden in den betroffenen Gebieten als massiver Einschnitt in die Lebenswelt der Bewohnerinnen und Bewohner wahrgenommen. Es habe erhebliche Proteste nicht nur vor dem Verfahren bei großen Versammlungen mit der Senatorin gegeben, sondern auch während des Verfahrens durch eine erhebliche Mobilisierung in Form von Demonstrationen.
Diese Proteste hätten die Beteiligung quasi erzwungen.

Das Ziel des Verfahrens ist zwar nicht gemeinsam definiert worden, aber…

Ziel des kooperativen Prozesses sei die Einbeziehung aller relevanten Akteure, die Produktion einvernehmlicher Lösungen und als Ergebnis sei ein sog. „Kontrakt“ zwischen allen Beteiligten vorgesehen.

Ablauf und Struktur wurden nicht gemeinsam festgelegt

Die Architektur des Beteiligungsverfahrens sei in enger Abstimmung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer konstruiert worden. Wegen des engen Zeitrahmens konnte der Ablauf nicht gemeinsam mit den Betroffenen erstellt werden. 

Zahlenmäßige Dominanz von Politik und Verwaltung

Das Kernteam sollte ursprünglich zu zwei Dritteln aus Vertretern der Initiativen vor Ort zusammengesetzt sein. Durch Intervention der Politik sei es dann aber zu einer zahlenmäßige Dominanz der Politik – sowie zusätzlich der Vertreter der Behörden und weiterer Experten – gegenüber den lokalen Interessenvertretern gekommen.

Dennoch dominierten die Kritiker die öffentliche Debatte

Die Kritiker der diskutierten Verkehrsprojekte – „insbesondere der Verein Zukunft Elbinseln e.V. –hätten kontinuierlich und professionell über verschiedenen Medien (Internet, Plakate, Öffentliche Veranstaltungen, Demonstrationen etc.) über ihre Wahrnehmung des Verfahrens informiert“ und damit zunehmend die öffentliche Debatte über die Verkehrsplanungen im Hamburger Süden dominiert.

Ein Kontrakt kam nicht zustande

Ein gemeinsamer Kontrakt, in dem „durchaus auch der Konsens im Dissens hätte niedergeschrieben werden können“, sei nicht zustande gekommen. Einige Mitglieder der Kernarbeitsgruppe hätten darüber hinaus ein eigenes Positionspapier erarbeitet.

Anmerkung: es handelte sich um diese Erklärung der 6 Bürgergruppen aus Harburg, Moorburg und Wilhelmsburg

Erklaerung der Bürgergruppen 9-11-09

„Gesamtverkehrskonzept“ wird zugesagt – die Pläne für die Wilhelmsburger Reichsstraße  und Hafenquerspange aber stehen dabei nicht zur Debatte

Als ein wichtiges Ergebnis wird die Zusage für die Erarbeitung eines Gesamtmobilitätskonzeptes für den Süderelberaum festgehalten. Über ein Ruhen der Planungen für die Wilhelmsburger Reichsstraße und die Hafenquerspange während der Erarbeitung hätte allerdings keine Einigkeit bestanden.

Ergebnisoffenheit ist nicht gegeben, im Gegenteil: Senatorin sichert während des Verfahrens die Finanzierung ihrer Pläne durch den Bund.

Die Senatorin habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die Planungen auch während des Beteiligungsprozesses vorangetrieben werden würden. „Den Forderungen nach einem Moratorium während des Beteiligungsprozesses konnte und wurde seitens der BSU nicht nachgegangen“.
Zum Ende des Verfahrens sei die Mitfinanzierungsvereinbarung für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße zwischen der Stadt Hamburg und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geschlossen worden.

Eine Evaluation steht aus, wäre aber lohnenswert

Im Abschlussbericht wird eine Gesamtevalutation des Verfahrens als lohnenswert erachtet, „da das Verfahren durchaus in einigen Punkten im Gegensatz zu vergleichbaren Verfahren atypisch verlaufen ist“.

Dieser Forderung der Auftragnehmer von 2009 kann nur zugestimmt werden.

Wilhelmsburg hat seit 1995 vermutlich mehr „Beteiligungsverfahren“ erlebt als irgendwo sonst in der Republik:

1995 bis 1997: Auf Senatsbeschluss: Die „Wilhelmsburger Insel Gespräche“ durch Prof. Machule und Team mit dem Ergebnis eines umfassenden Gutachtens mit Handlungsempfehlungen und der Einrichtung des Beirats für Stadtteilentwicklung

2001/2002: Durch Senatsbeschluss: Die Zukunftskonferenz Wilhelmsburg mit dem Ziel eines „integrierten Handlungskonzeptes“. Im Ergebnis gibt es das „Weissbuch“ und entsteht der Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg

2009: Die BSU veranstaltet ein „kooperatives Beteiligungsverfahren – Verkehr im Hamburger Süden“, das von allen Beteiligten als gescheitert bezeichnet wird. (s.o.)

2012: Über Monate tagt ein „Beratungsgremium Verkehr“ im Auftrag des Bezirkes Hamburg – Mitte. Die einvernehmlichen Empfehlungen für eine anwohnerverträgliche Umgestaltung der Pläne für die Wilhelmsburger Reichsstraße auf der Grundlage des Gutachters Prof. Dr. H. Knoflacher werden von Senat kassiert.

„Perspektiven – Miteinander planen für die Elbinseln“, lautet das Motto des Verfahrens, das am 16.9.2013 an den Start geht.

Was können und was müssen wir aus den vorangegangenen Verfahren lernen? Was ist diesmal anders? Wie kann Resignation verhindert und für alle Beteiligten ein Erfolg organisiert werden?

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Wer Lust hat auf eine Evalutation des gesamten Verfahrens 2009 findet alle relevanten Dokumente auf der damaligen Webseite der Bürgergruppen:

Planen im Dialog!

Der Abschlussbericht zum Verfahren 2009 wurde erstellt von:

SUPERURBAN
Norbert Nähr & Thomas Schulze GbR
Oberhafenstraße 1 -20097 Hamburg
Fon: 040 43 09 47 55
info@super-urban.de  — www.super-urban.de

Fotos von der Infoveranstaltung der BSU zum Abschluss des „Beteiligungsverfahren zum Verkehr im Hamburger Süden“ am 9.11.2009 im Bürgerhaus Wilhelmsburg.

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