Krankenhaus Groß-Sand: Wenn das Bistum versagt, ist die Behörde gefragt 1

Noch könnte Senatorin Leonhard eine drohende Privatisierung von Groß-Sand verhindern, um die stationäre Grund-Regel- und Notfallversorgung in Wilhelmsburg zu erhalten

Manuel Humburg, 18.3.2021

Laut einem Bericht des NDR vom 10.3.2021 will das Erzbistum Hamburg mittlerweile nur noch mit privaten Interessenten für die zukünftige Trägerschaft des Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand verhandeln (NDR vom 10.3.2021).

Bei einer direkten Nachfrage beim Erzbistum wurde diese Meldung zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Gleichzeitig gibt es Informationen, dass es gemeinnützige Bewerber mit evangelischer Ausrichtung gegeben hat, die vom Bistum kürzlich eine Absage erhalten haben sollen.

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße steht mit dem Rücken zur Wand. Die Kritik an seinem Management während des Kölner Missbrauchsskandals dürfte ihn sein Amt kosten. Die Mitglieder kehren der Kirche in Scharen den Rücken. Ist er jetzt auch noch bereit, die Seele des katholischen Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand für ein Linsengericht zu verscherbeln?

Bekanntlich hängen dem Bistum 27 Millionen Pensionslasten für Groß-Sand wie ein Mühlstein am Hals. Da können beim Poker um die neue Trägerschaft nur finanzkräftige Gesundheitskonzerne mithalten. Zwar stehen die christliche Glaubwürdigkeit und die soziale Verantwortung des Erzbistums auf dem Spiel. Aber: Die Ausführungen von Domkapitular Bonekamp im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft am 5.2.2021 lassen erkennen, das das Erzbistum zu einem Verkauf an einen Rendite-orientierten Gesundheitskonzern durchaus bereit ist. (Prot,GesA,22-07,2021-02-05)

Droht ein erneuter Deal mit Asklepios?

2004 wurde der Großteil der städtischen Hamburger Krankenhäuser für den Gesundheitskonzern Asklepios privatisiert. Eine Übernahme eines weiteren Krankenhauses, wie Groß-Sand, durch Asklepios sei ausgeschlossen, hört man immer wieder. Das sei Kartell-rechtlich nicht möglich, weil Asklepios jetzt schon eine Monopolstellung bei Hamburgs Krankenhäusern hat und mit 15 000 Mitarbeitenden Hamburgs größter Arbeitgeber sei.

Welchen Sinn sollte es dann haben, dass Asklepios beim Nachfolgepoker für Groß-Sand mit am Tisch sitzt? Warum rückt eine Asklepios-Delegation aus der Konzern-Zentrale in Bad Homburg für eine Hausbesichtigung in Groß-Sand an?
Aus Sicht von Asklepios sind die ca 200 Betten und 380 Vollzeitstellen in Groß-Sand nur Spielfiguren. Die paar chirurgischen und internistischen Betten ließen sich mühelos in die Asklepios- Großkliniken nördlich und südlich der Elbe integrieren, die Rehaklinik und die neurologische Frührehabilitation könnten profitabel ausgegliedert werden. Das Personal verschwindet im Gesamtpool des Konzerns. Für die Notfallversorgung könnte Asklepios gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung ein Medizinisches Versorgungszentrum am Standort aufbauen. Dabei würde sichergestellt, dass stationäre Fälle bei Asklepios landen. Und wer sich dann nicht zurechtfindet, könnte in einem „Gesundheitskiosk“ wie in Billstedt beraten werden. Die Kosten dafür übernähmen gerne die Kassen, die ja mit dem Abbau von Bettenkapazitäten viel Geld sparen wollen.

Dieses Modell nennt man heutzutage „win-win“ und wäre kartell-rechtlich kaum mehr zu greifen.

Falls das mit Asklepios doch nichts werden sollte, gibt es noch weitere private Player in Hamburg:  die zum Fresenius Gesundheitskonzern gehörende Helios Gruppe (Endoklinik, Krankenhaus Mariahilf) und die Schönklinik, die das Krankenhaus Eilbek betreibt sowie die alanta health group GmbH, der die Praxisklinik Mümmelmannsberg gehört.

 

Rot-Grün könnte diese drohende Privatisierung noch verhindern

Die zuständige Sozial- und Gesundheits- Senatorin Leonhard agiert undurchsichtig und widersprüchlich: Einerseits bekräftigte sie mehrfach den wünschenswerten Erhalt von stationärer Grund- Regel- und Notfallversorgung in Wilhelmsburg, sieht andererseits aber keine Möglichkeit dies behördlicherseits auch sicher zu stellen.

Bisher hieß es immer aus der Behörde: Groß-Sand ist nicht unser Haus, wir müssen abwarten, wie sich das Bistum entscheidet. Aber worauf wollen sie jetzt noch warten? Wenn eine Privatisierung noch verhindert werden soll, dann muss die Behörde jetzt steuernd eingreifen. Abwarten bedeutet vollendete Tatsachen zuzulassen und zu befördern. Privatisierung macht Gesundheit zur Ware; das Ziel privater Krankenhäuser ist die Rendite der Aktionäre. Soll später keiner sagen: Das haben wir nicht gewusst, so haben wir das nicht gewollt!

Warum sitzt im „Lenkungsausschuss Groß-Sand“ neben Bistum und Behörde nur noch Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung mit am Tisch? Warum ist niemand vom Personal oder aus dem betroffenen Stadtteil mit dabei?

„Gesundheit ist keine Ware. Das wissen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die grundsätzliche Entscheidung mit Krankenhäusern Gewinn und Rendite zu erzielen, ist falsch und muss korrigiert werden.“ Könnte sich dieser Erkenntnis unseres Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi nicht auch Hamburgs sozialdemokratische Sozialsenatorin anschließen? Hakverdis Schlussfolgerung ist: Deshalb sollten Krankenhäuser wieder verstärkt in kommunale Hände überführt werden!

Kommunalisierung von bedrohten Krankenhäusern ist bundesweit wieder im Kommen, vor allem bei sozialdemokratisch geführten Verwaltungen. Beispiele sind Krankenhäuser in Peine, Prignitz, Wolfhagen, Hofgeismar. Die Rettung von Krankenhäusern wird in den kommenden Wahlkämpfen ein wichtiges Thema sein.

Warum ist das Thema Kommunalisierung in Hamburg offenbar ein Tabu? Eigentlich sind sich doch alle einig, dass die Privatisierung des kommunalen Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) im Jahre 2004 ein großer Fehler war. Gegen einen eindeutigen Volksentscheid, in dem 77 % für einen Verbleib in kommunaler Hand votierten, wurde das damals durchgezogen. Auch finanziell ein Desaster für die Stadt. Wenig bekannt ist allerdings über einen angeblich geheimen Vertrags-Zusatz, in dem sich die Stadt verpflichtet haben soll, auf erneute kommunale Trägerschaft von Krankenhäusern dauerhaft zu verzichten.
Eine Ausnahme blieb immer das UKE, das Universitätskrankenhaus in städtischer Hand. Mit dem UKE als Träger gelang es auch, das von Schließung bedrohte Altonaer Kinderkrankenhaus zu retten.

Unverständlich bleibt, warum dieses Modell nicht auch für den Erhalt des für die Versorgung im Hamburger Süden unverzichtbaren Krankenhaus Wilhelmsburg möglich sein soll. Zumal mit der drohenden Privatisierung dessen Zerschlagung droht und dazu ausgerechnet der Asklepios-Konzern seine marktbeherrschende Stellung in Hamburg missbrauchen könnte.

Warum sollte es nicht möglich sein, dass die für das UKE zuständige grüne Senatorin für Wissenschaft und Forschung Katharina Fegebank und die sozialdemokratische Sozialsenatorin das Tabu überwinden und das UKE als möglichen Träger für Groß-Sand doch noch ins Spiel bringen? Es ist kein Geheimnis, dass es auch an der Basis von SPD und Grünen für eine solche Lösung große Sympathien gibt. Von der eindeutigen Erwartung der Belegschaft in Groß-Sand und den Menschen vor Ort mal ganz abgesehen.

Und man darf ebenso davon ausgehen, dass das Erzbistum – auch jetzt noch – diese Option sehr ernsthaft prüfen würde. Für das Erzbistum die einmalige Chance für einen Abschied von Groß-Sand – ohne den weiteren Verlust an christlicher Glaubwürdigkeit und sozialer Verantwortung.

1 Antwort zu “Krankenhaus Groß-Sand: Wenn das Bistum versagt, ist die Behörde gefragt

  1. Antworten Werner Meltzian Apr 9, 2021 12:21

    Lieber Manuel, ein sehr guter Artikel! Wie können wir aber genügend Wähler-Innen mobilisieren, um genügend Druck bei den pol. Entscheidungsträgern zu erzeugen?

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