Eingeladen hatte der Runde Tisch Moorburg zu einer außerordentlichen Bürger*innenversammlung in die Alte Schule am Moorburger Elbdeich. Einziges Thema: Planfeststellungsbeschluss zum ersten Abschnitt der A26-Ost in Moorburg.
A26-Ost Faktencheck
Lisa-Mia Schaich und Sophie Rönnau vom Runden Tisch freuten sich über das große Interesse und begrüßten in der überfüllten Pausenhalle auch Gäste aus Bostelbek und Wilhelmsburg.
In ihrem Faktencheck erläuterte Lisa-Mia Schaich, warum sie glaubt, dass der Widerstand gegen den drohenden Bau der A26-Ost noch eine Chance hat, auch wenn für den ersten, den Moorburger Bauabschnitt, kurz vor Weihnachten ein Planfeststellungsbeschluss verkündet wurde.
Volle Pausenhalle beim Faktencheck – Foto: Copyright Stefan Rathjen
In kurzer Zeit sind die Kosten für die 10 km lange Autobahnquerverbindung zwischen A7 und A1 auf von 950 Millionen auf derzeit 2,28 Milliarden explodiert. Eine der teuersten Autobahnprojekte in der Republik. Grund ist die Kette von komplexen Ingenieursbauwerken, die wegen des komplizierten innerstädtischen Verlaufs mit extremen Bodenverhältnissen im Urstromtal der Elbe erforderlich sind.
Begründet wurde das Projekt immer mit exorbitanten Wachstumsprognosen für den Hamburger Hafen, die längst überholt sind. Was der Hafen vor allem braucht ist eine Sicherung der Haupthafenroute mit einer Erneuerung der Köhlbrandquerung und keine nur 2,5 km weiter südlich verlaufende Doppelstruktur am Hafen vorbei. Eine „Hafenpassage“ eben, wie der Name richtig enthüllt.
Was bleibt ist vor allem eine Attraktivität für Pendler – ein Szenario, dass das Gegenteil der allseits propagierten Verkehrswende wäre.
Für Moorburg und seine Menschen wäre die zusätzliche Autobahn vermutlich der letzte Sargnagel nach all den Zumutungen, die dieser liebenswerte und idyllische Stadtteil bereits jetzt zu verkraften hat.
Vom unwiderbringlichen Verlust von 40 ha Biotopflächen ganz zu schweigen. 11 ha davon sind ökologisch und klimatisch wertvolle 4000 Jahre alte Moore mit einer Dicke von 4 Metern.
Der Nutzen sinkt, die Kosten steigen – scheitert die A26-Ost an den Finanzen?
Im Sommer 2024 soll es eine Überprüfung des Bundesverkehrswegeplanes geben. Michael Rothschuh vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg glaubt, dass das Projekt dabei an den Finanzen scheitern könnte. Denn eine Finanzierung darf es nur geben, wenn das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) deutlich über 1 liegt. Neben den explodierenden Kosten haben sich aber auch andere Rahmenbedingungen seit der Linienbestimmung erheblich verändert:
- Mit dem Wegfall der Zollgrenzen kann von einer Überlastung der Köhlbrandbrücke keine Rede mehr sein.
- Mit den weit unter den übersteigerten Prognosen liegenden stagnierenden Umschlagzahlen im Hafen gibt es auch keine Zunahme der Hafenverkehre.
- Mehr Güter werden mit der Bahn transportiert und die Kapazitäten der Straßen im Hafen wurden bereits erheblich ausgebaut: Erneuerung der Rethebrücke und Bau einer 2. Kattwykbrücke zur Entflechtung von Bahn- und Straßenverkehr.
- Dazu kommt der finanzielle Mehrbedarf für den erforderlichen Ersatz der Köhlbrandbrücke zur Sicherung der für den Hafen existentiellen Haupthafenroute.
Rothschuh sieht gute Chancen, den Bundesrechnungshof für eine kritische Bewertung von Nutzen und Kosten der A26-Ost zu gewinnen. Er schlägt eine Eingabe durch die betroffenen Verkehrswende-Initiativen vor. Eine entsprechende Befassung des Rechnungshofes hat es bei anderen Straßenprojekten kürzlich bereits gegeben.
BUND und NABU zu juristischen und politischen Erfolgsaussichten
Mit Spannung wurde der Auftritt der Klage berechtigten Vorsitzenden der Naturschutzverbände, Sabine Sommer vom BUND und Malte Siegert vom NABU erwartet. Eine Entscheidung über eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Abschnitt 6a der A26-Ost wird es in den nächsten Tagen geben. Frist ist Mitte Februar. Danach sind 10 Wochen Zeit, um die ausführliche Klageschrift einzureichen.
Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten sind die Anwälte einem schmalen Korridor verpflichtet:
Die Naturschutzverbände müssen ihre Klage auf den Bereich Naturschutz fokussieren, d.h. als Anwälte von Natur, geschützter Arten, korrekter Ausgleichsmaßnahmen etc fungieren.
Im politischen Raum nahmen die beiden Vorsitzenden die anstehenden Wahlen in Hamburg in den Blick. Sowohl bei den Bezirkswahlen Anfang Juni 2024 als auch bei der Bürgerschaftswahl 2025 können vernünftige Lösungen bei der Abwägung der verschiedenen Ziel- und Interessenkonflikte angemahnt werden: mit der Prämisse „Erhalt vor Neubau“ angesichts des verbreiteten Sanierungsstaus bei der Infrastruktur, mit der Neuorientierung des Hamburger Hafens angesichts globaler Herausforderungen, bezüglich Stadt- und Verkehrsentwicklung vor allem auch im Hamburger Süden.
Manfred Brandt ruft zu Spenden auf
Als „Moorburger Urgestein“ nutzte Manfred Brandt die Bühne, um den Naturschutzverbänden Mut für ihren Widerstand zu machen, zumal ein Erfolg gegen die A26-Ost als „Dinosaurier des Jahres 2021“ auch ein wichtiges bundesweites Zeichen wäre. Für den Fall einer Klage rief er zu Spenden auf und zeigt sich zuversichtlich, allein in Moorburg 20000 Euro zu sammeln.
Katja Diehl, Mobilitäswende-Autorin und Bloggerin aus Eimsbüttel brachte ihre Unterstützung für den Widerstand in Moorburg, Bostelbek und Wilhelmsburg zum Ausdruck und verwies auf das erfolgreiche Moratorium, das gegen den Bau neuer Autobahnen in Österreich durchgesetzt werden konnte.
Nach diesen Infos und Inspirationen von der Bühne wurde die Versammlung zur Ideenwerkstatt.
In mehreren kleinen Gesprächsgruppen wurde weiter diskutiert und Vorschläge für weitere Aktivitäten zur Verhinderung dieses so aus der Zeit gefallenen Autobahnprojektes zusammengetragen.
Man darf gespannt sein, welche Kräfte die Moorbürgerinnen in den nächsten Wochen und Monaten noch mobilisieren werden, um ihr liebenswertes Dorf und ihr wertvolles Moor zu retten. Und welche Vernetzungen mit den anderen betroffenen Stadtteilen und weit darüber hinaus dabei noch entstehen.
Fotos – Copyright Stephan Rathjen
Presse
Hamburg Journal
Hamburger Abendblatt