Krankenhaus Groß-Sand: Gemeinwohl oder Gewinn? Haben private Anbieter die Nase vorn?

Laut einem Bericht des NDR vom 10.3.2021 will das Erzbistum Hamburg mittlerweile nur noch mit privaten Interessenten für die zukünftige Trägerschaft des Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand verhandeln (NDR vom 10.3.2021).

Bei einer direkten Nachfrage beim Erzbistum am 12. 3. 2021 wurde diese Meldung nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Gleichzeitig gibt es Informationen, dass es auch gemeinnützige Bewerber mit evangelischer Ausrichtung gegeben hat, die vom Bistum eine Absage erhalten haben sollen. Und die Stadt Hamburg hat einer grundsätzlich möglichen Bewerbung des städtischen Universitätskrankenhauses UKE schon im Vorwege einen Riegel vorgeschoben.

Das Erzbistum hält sich im laufenden Verfahren also weiterhin bedeckt. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass private Anbieter derzeit die Nase vorn haben.

Es wäre alles andere als eine Überraschung, wenn nicht auch der Asklepios Konzern dazu gehören würde. Asklepios hat 2004 den Großteil des städtischen Landesbetriebes Krankenhäuser übernommen und hat allein in Hamburg 15 000 Mitarbeiter*innen. Er ist mittlerweile der größte privatwirtschaftliche Klinikbetreiber in Europa. Weitere private Player in Hamburg sind:  die zum Fresenius Gesundheitskonzern gehörende Helios Gruppe (Endoklinik, Krankenhaus Mariahilf) und die Schönklinik, die das Krankenhaus Eilbek betreibt sowie die alanta health group GmbH, der die Praxisklinik Mümmelmannsberg gehört.

Gemeinsam ist diesen privaten Gesundheitskonzernen die Gewinn-Orientierung; das heißt: Das Unternehmensziel ist letztlich eine Rendite-Ausschüttung an die privaten Eigentümer bzw. die Aktionäre.

Damit spitzt sich die Grundsatzfrage weiter zu: Soll das Krankenhaus Groß-Sand zukünftig nicht mehr Gemeinwohl – sondern Gewinn-orientiert betrieben werden?

Für die Belegschaft im Hause, für die Menschen im Stadtteil und in den umliegenden Betrieben bedeutet dies: Mit gravierenden „Anpassungen“, „Modernisierungen“, und „Umstrukturierungen“ ist zu rechnen.

Denkbar ist eine Verlagerung der Chirurgie an eine der Groß-Kliniken, ein Umbau der Notaufnahme in ein MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum), Verlagerung von Leistungen in ambulante Bereiche, der Aufbau eines „Gesundheitskiosk“ wie in Billstedt, Verlagerung von Verwaltung, Logistik etc, Personalabbau etc.

Das Bündnis „Aktion Krankenhaus Groß-Sand bleibt!“ bekräftigt in dieser Situation – auch und gerade gegenüber dem zukünftigen Betreiber – ihre

Forderungen für die Zukunft des Krankenhauses:

1. Der neue Träger muss Groß-Sand als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung und die Notfallversorgung erhalten.
2. Das kann kein Krankenhaus „light“ sein, kein „ambulantes Versorgungszentrum“ mit ein paar angegliederten Notfallbetten und kein „Portal-Krankenhaus“ für andere Kliniken.
3. Der Träger muss Wilhelmsburg-Ziele haben und Gesundheitsperspektiven für den Stadtteil, die umliegenden Betriebe und den Hamburger Süden entwickeln.
4. Der neue Träger muss bereit sein, erheblich zu investieren und den Krankenhausstandort Wilhelmsburg auszubauen.
5. Der Träger muss attraktiv für Mitarbeitende sein, z. B. durch Tarifanwendung.
6. Der Träger soll in seiner Grundhaltung Gemeinwohl orientiert sein, d.h.: nicht Gewinn-orientiert!
7. Der neue Träger kann einen substantiellen Beitrag zur Ausbildung neuer Pflegekräfte leisten, z.B. durch einen Neustart der Pflegeschule entsprechend dem Konzept „Pflegecampus Wilhelmsburg“.

Groß-Sand ist ein Krankenhaus mit Notfallversorgung der Stufe 1

Bistum und Behörde lassen laufen und blenden drohende Kollateralschäden aus

Nach den Protesten in 2020, mit fast 10 000 Unterschriften für den Erhalt des Hauses und einer großen Demo am 30. September, haben Vertreter von „Aktion Groß-Sand bleibt!“ Anfang 2021 in direkten Gesprächen versucht, Bistum und Behörde zu einem konstruktiven Zusammenwirken zu bewegen. 

Beide Akteure stimmen den Forderungen nach Gemeinnützigkeit „im Prinzip“ zu, überlassen die Entwicklung aber den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage. Nachdem das Erzbistum ursprünglich nur katholische Anbieter berücksichtigen wollte, geht es jetzt offenbar um´s Höchstgebot. Christliche und soziale Standards sind keine Bedingung mehr. Personalbestand und zukünftige Strukturen werden dem neuen Betreiber überlassen. Und die zuständige Senatorin Leonhard? Sie bekräftigt erneut den wünschenswerten Erhalt von stationärer Grund- Regel- und Notfallversorgung, sieht aber keine Möglichkeit dies behördlicherseits auch sicher zu stellen.     

Im Gesundheitsausschuß der Bürgerschaft am 5.2.2021 waren Domkapitular Berthold Bonekamp vom Erzbistum und Manuel Humburg von der Initiative „Groß-Sand bleibt“ geladen. Am Ende äußerte sich auch Senatorin Melanie Leonhard.

Wortprotokoll Gesundheitsausschuss vom 5.2.2021:

Prot,GesA,22-07,2021-02-05

Gemeinwohl-Orientierung oder Gewinn-Orientierung?

In seinen Äußerungen im Ausschuss hat Domkapitular Bonekamp den Unterschied zwischen Gemeinwohl – und Gewinn-Orientierung in seiner Relevanz relativiert. Dies veranlasste Hartmut Sauer zu einigen Anmerkungen, die er den Mitgliedern des Ausschusses in einem offenen Brief zukommen ließ. Darin heißt es:

„Gemeinwohlorientierte Unternehmenssteuerung ist wertebasiert, sie vollzieht sich in einem ethischen Rahmen und ist mit wirtschaftlich effizientem Handeln verbunden. Es ist insofern ein grundlegender Unterschied, ob in einem Unternehmen Überschüsse zur zukünftigen Unternehmensabsicherung erzielt werden, oder ob zur Befriedigung von Aktionärs- oder Eigentümer- Interessen Renditen erzielt und dann ausgeschüttet werden.

Für die Suche nach einem neuen Träger heißt dies:
In diesem Sinne ist es auch für die Zukunft von Groß-Sand von existentiellem Interesse, welche Grundausrichtung der neue Träger verfolgt: Wird er das Haus mit dem Ziel sanieren, umstrukturieren und anpassen, um möglichst hohe Gewinne – im Sinne eines „return of investment“ zu erzielen? Oder sieht er sich in erster Linie der Sicherstellung und qualitativen Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung der Menschen in Wilhelmsburg, in den umliegenden Betrieben und in der Region verpflichtet? Neben neuen Investitionen und einer Ausweitung der medizinischen Angebote muss dabei der Schwerpunkt auf die Motivation und Qualifizierung der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses gelegt werden. Dazu gehört neben der tariflichen Bezahlung eine Ausweitung ihrer Mitwirkung und der Mitarbeiterrechte.“

Der gesamte offene Brief von Hartmut Sauer mit Anmerkungen zur Gemeinwohl-Orientierung:

zum Aspekt der Gemeinwohlorientierung


Bericht im Wilhelmsburger Insel Rundblick im Februar 2021 über den Gesundheitsausschuss vom 5.2.2021:

Groß Sand Gesundheitsausschuss 20210205

 

 

 

 

 

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