Volkspark ohne Zaun! Klare Ansage beim Park-Ratschlag 1

14-02-11-Park-Ratschlag ©Mathias Lintl

14-02-11-Park-Ratschlag   ©Mathias Lintl***

Stimmung und Argumente im großen Saal des Bürgerhauses waren eindeutig: Beim „Park-Ratschlag“ am 11.2.2014 forderten fast alle der zahlreichen Diskutanten die Verwaltung auf, das Versprechen für einen uneingeschränkt offenen Volkspark jetzt einzulösen. Mehr als 200 Menschen waren der Einladung von unterschiedlichen Bürgergruppen aus dem Stadtteil gefolgt: Dem Zusammenschluss der Kleingartenvereine, dem Beirat für Stadtteilentwicklung, Dem Beteiligungsprozeß „Perspektiven“, der Interessengemeinschaft „Inselpark e.V.“ und dem Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg e.V. Die zuständige Verwaltung des Bezirks Mitte erhielt zu Beginn die Gelegenheit ihre Pläne vorzustellen – dann hatten an 4 Mikrofonen die Bürgerinnen und Bürger das Wort.

Einen guten Überblick gibt der Artikel „Klares Signal aus Wilhelmsburg: Der Zaun soll wegauf wilhelmsburgonline. Ausschnitte werden in einem Film von der Debatte gezeigt.
Dem Bericht im Hamburg Journal (link weiter unten) merkt man an, dass der NDR die Versammlung kurz nach dem Auftakt schon wieder verlassen hatte. Ein Tonmitschnitt dokumentiert den gesamten Verlauf des Abends (siehe unten).

Die Vorträge des Bezirksamtes mit den beiden Varianten für die künftige Einzäunung des Parkes wurden – trotz mehrfacher Bitten – bisher leider nicht zur Verfügung gestellt.

Wir dokumentieren einige der Diskussionsbeiträge:

Jürgen Hielscher für die Bezirksgruppe der Wilhelmsburger Kleingartenvereine:

Zwei unserer Kleingartevereine liegen innerhalb des Parks – „Kleingärten sind öffentliche Räume … Öffentliche Räume kann man nicht einfach abends um 23 Uhr schließen … Deshalb sagen wir als Kleingärtner: Diese Zäune müssen einfach weg.“

Jost Hüttenhain, Interessengemeinschaft Inselpark e.V.:

„Wir stehen für einen offenen Park … Das Wälderhaus, das ist ein Hotel, auch die Gastronomie, die brauchen 24 Stunden freien Zugang. Das ist unmöglich, wenn das nicht gewährleistet ist“

Volker Lux, Rollsportler:

„Es handelt sich um eine der besten Rollsportanlagen im Norden – besonders was die nächtliche Nutzung betrifft. Gerade beim Skatesport vermissen wir immer wieder Flutlichtanlagen und die Möglichkeit, nachts unserem Sport nachgehen zu können. Hier in Wilhelmsburg haben wir die perfekte Situation: Es gibt keine Anwohner … und es gibt Flutlicht. Und das wird international hoch geschätzt. Sport treiben ist ein anerkanntes Mittel gegen Aggressisonen … Gerade dieser Park ist angelegt für nächtliche Nutzung. Ich kann nur dafür plädieren, dass der ganze Park offen bleibt, besonders das Sportangebot.“

Claudia Roszak, Anwohnerin, Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg:

„Ich bin Anwohnerin. Der Park ist für mich Alltagsweg. Ich gehe durch den Park, wenn ich ins Bürgerhaus will. Ich gehe auch abends durch den Park. Ich komme relativ oft spät nach Hause. Für mich persönlich ist es absolut inakzeptabel, dass der Park nachts zugemacht werden soll. … Wir haben 3 Jahre darauf gewartet, den Park wieder nutzen zu können. Wir haben akzeptiert, dass er 6 Monate abgesperrt war.  Aber es ist unser Park und nicht jeder Wilhelmsburger ist ein potentieller Vandalist… Ich wehre mich dagegen, das alte Stigma vom „Raum für den Rest“ auf diese Weise wieder aufzuwärmen.“

Professor Dieter Läpple, Anwohner, Mitglied im IBA-Kuratorium:

„Unser Leitbild bei der IBA war immer: Die offene Stadt und ihre Gärten. Der öffentliche Raum als kostbarstes Gut der Europäischen Stadt. … Die Tradition des öffentlichen Parks beginnt Anfang des 19. Jahrhunderts, als Bürgerbewegungen überall in Europa gekämpft haben für öffentliche Parks gegen das Konzept des geschlossenen feudalen Parks, der immer gekennzeichnet war durch seine symbolischen Zäune … Der Central Park in New York ist bis heute Vorbild für einen offenen Park in einer widersprüchlichen, multikulturellen Gesellschaft, wo niemand auf die Idee käme, einen Zaun zu bauen. In dieser Tradition hat Fritz Schumacher, der damalige Oberbaudirektor Hamburgs,  das Konzept des Stadtparks entwickelt – in der Tradition eines öffentlichen Parks, finanziert durch den öffentlichen Haushalt, offen für Arm und Reich, offen für Alt und Jung und basierend auf der Überzeugung, dass diese Offenheit, trotz möglicher Konflikte, ein unumstößliches Grundprinzip in einer demokratischen Stadt ist…“

Jana Nöske-Beyling, Harburgerin und Mitarbeiterin im Wälderhaus:

Beispiel Harburger Stadtpark an der Außenmühle: „Der Park wird nachts genutzt, der Park wird am Tage genutzt. Der Park ist tiptop – sicherlich liegt da irgendwo mal ein Papier rum … die Menschen sind da sehr verantwortlich und es wird sehr genossen, dass es ein öffentlicher Raum ist. Dasselbe wünsche ich mir für den Wilhelmsburger Inselpark…“

Gregor Waschkowski, Mitglied im Wilhelmsburger Ruderclub:

„Ich freue mich über den Inselpark und möchte ihn gerne nutzen und möchte, dass er erhalten wird. Nur: Ein Zaun hilft dabei nicht. Alle Beschädigungen, die vorhin erwähnt wurden, sind entstanden, während ein Zaun da stand….Ich möchte eindringlich darum bitten, das zu machen, was wirklich Vandalismus verhindert: Das ist Sozialarbeit, das ist Jugendarbeit, … kann man nicht Personal im Park zur Verfügung stellen, das helfen kann, Vandalismus vorzubeugen?“

Helmut Biljes, Vorsitzender Kirchdorfer Eigenheimer:

„Überall wird gesprayt. Glaubt denn jemand ernsthaft, dass Sprayer mit so einem kleinen Zaun abgehalten werden?“

Shila Chakrabarti, ehemalige Gästeführerin bei der igs:

„Ich hab den vergangenen Sommer fast ausschließlich auf der igs verbracht, weil ich da als Gästeführerin tätig war… und man hat immer gesagt, dass der Park später geöffnet wird. Im Hinblick auf den Perspektiven Prozeß ist das ein ganz furchtbares  Signal, das Gefühl zu haben … dass da eine Entscheidung kommt, die auch gar nicht zur Disposition steht … das ist der Eindruck, den sie hier vermitteln. Sie scheinen nicht gekommen zu sein, einen Dialog einzugehen, sondern eigentlich verteidigen sie, was sie eh schon machen … Ich hab ein regelrecht schlechtes Gewissen, wenn ich denke, dass ich über 1000 Leuten gesagt habe, das ist ein Park, der hinterher allen Leuten gehört. Dann komme ich mir ein bischen benutzt vor.“

Walter Kränkel, Anwohner:

„50 Jahre kenne ich diesen Park. Ich kann mich nicht erinnern, dass da irgendwann Vandalismus gewesen ist. … Erzählen sie mir, wieviel Kosten sie hatten die letzten 50 Jahre für Vandalismus… Wahrscheinlich wird eine alte Frau als Beispiel genommen, die eine Blume davor gerettet hat, dass sie von einem Bagger in den Container geworfen wird – die wird als Vandalin bezeichnet….Wo  ich wohne, am Beyestieg, ist einer von der igs mit dem LKW gegen Betonbänke gefahren, die man garnicht umwerfen kann – die wiegen 6-7 Zentner – da haben sich 10 Kleingärtner hingestellt, um die Bank wieder aufzustellen. Und sie reden darüber, das Wilhelmsburger Vandalen sind.“

Andreas Kloevekorn, noch Anwohner Planten un Blomen, demnächst Anwohner Inselpark:

„Planten un Blomen ist tatsächlich eingezäunt. 23 Uhr machen die im Sommer zu. Das ist ärgerlich, denn die meisten Leute gehen um 23 Uhr noch nicht ins Bett. Trotzdem liegen dann morgens mal ein paar Stühle in den Wasseranlagen. Mit einem Zaun kriegt man solche Probleme auch nicht in den Griff…. Warum ist eigentlich so ein großer Widerstand hier? Das Bild, das dieser Zaun vermittelt ist genau das Bild, das man hier eigentlich nicht mehr haben wollte. Olaf Scholz hat gesagt, wie sehr er sich gefreut hat, in diesem Bagger zu sitzen, der den Spreehafenzaun weggerissen hat. Ich würde mich freun, wenn Olaf Scholz auch in dem Bagger sitzen würde, der den Zaun vom IGS-Park niederreißt… Die Stadt hat eigentlich ein tolles Projekt geschaffen und muss jetzt nur noch über den Zaun reden, weil sie ein Konzept verkaufen müssen, das all die Qualitäten komplett überlagert. Das nenne ich mal aus Marketingaspekten unglücklich. Aber ich fürchte, das ist nicht nur unglücklich – es wird sie auch so lange verfolgen, wie dieser Zaun da ist. Und so wie ich die meisten Wilhelmsburger kennengelernt habe in den letzten Jahren: Die geben nicht Ruhe, bis der weg ist. Und ich werde auch nicht Ruhe geben.“

Lisa Zahn, gebürtige Wilhelmsburgerin:

„Ich möchte, dass dieses großartige Geschenk für Wilhelmsburg, dieser schöne igs-Park, für Wilhelmsburg erhalten bleibt…. Ich glaube aber, der Vergleich mit Planten un Blomen ist nicht ganz richtig, weil ich die Nutzung dieses Parks hier anders sehe…. Der Ohlsdorfer Friedhof wird abends um 9 geschlossen und auf dem Friedhof kommen die unglaublichsten Diebstähle vor… obgleich er so früh geschlossen wird. …Deshalb ist meine Überlegung, man muss den Park anders schützen, schützen durch die Menschen… “

Jörg v. Prondzinski, gebürtiger Wilhelmsburger:

„Noch meiner Einschätzung geht es hier eigentlich um die wirtschaftliche In-Wert-Setzung des Parks. Heiner Baumgarten hat in seinen Fachkonferenzen namens „Grün-Macht-Geld“ 10 Jahre lang Konzepte entwickelt, wie man öffentlichen Grünraum am Markt platziert… also kommerzialisiert…. Es geht darum, dass in Zukunft kommerzielle Nutzungen im Park stattfinden sollen. Dafür sind die Zäune dann da. Das man die dann nicht immer temporär bauen muss…. Den Bezirken wird ja bekanntlich das Geld abgedreht in dieser Stadt. .. Und das Ziel ist eben, dass öffentliche Räume zunehmend keine öffentlichen Räume mehr sind…. Das passiert vielleicht schrittweise und langsam – aber hier soll ein großer Schritt in diese Richtung gemacht werden.“

Ruth Lenz, Gärtnerin:

„Ich möchte gerne eine der Gärtnerinnen sein, die sich um den Park kümmert …. Ich bin sehr oft unterwegs und sammle Müll. Ein Zaun schützt nach meiner Erfahrung überhaupt nicht vor Vermüllung. Es ist gerade hinter den Zäunen, wo wir am meisten weg sammeln.“

Helga Arp, Interkultureller Garten Wilhelmsburg:

„Für uns im Reiherstiegviertel ist das ein ganz anderes Lebensgefühl – jetzt ohne den Zaun am Spreehafen. … Es war plötzlich so, als ob man an der Nordsee am Deich lang geht…. Und so was möchte ich auf gar keinen Fall jetzt hier in der Wilhelmsburger Mitte wieder neu haben.“

„Wir als interkultureller Garten haben einen Garten auf der igs mit geplant und gepflegt und haben uns auch bereit erklärt, diesen Garten weiter zu betreuen…. Aber wir werden dieses Angebot zurückziehen, wenn der Zaun bleibt. Wir werden diesen Heimatgarten nicht weiter als Schulprojekt betreiben, wenn da ein Zaun drumrum ist.“

Christian Kränkel, Anwohner:

„Ich wurde vor 35 Jahren in Wilhelmsburg geboren und seit meinem 15. Lebensjahr hab ich mit meinen Kumpels in dem Teil um die Kapelle auf der Parkbank gesessen… Wir haben da unser Bierchen getrunken – auch nachts nach 23 Uhr, und aus uns ist trotzdem was geworden: Sozialarbeiter, Lehrer, ich bin Physiker…. Wir haben 20 Jahre auf dieser Bank gesessen – unter einer wunderschönen Weide und wir haben uns damals gefragt, wer von uns Dreien als erstes nicht mehr zu dieser Bank kommen würde, weil er sich zu fein dafür ist. – Wer als erstes weg war, war diese Weide, weil sie im Zug der igs gefällt wurde. Und da frage ich mich – und die Bank wurde übrigens auch beseitigt – und da frage ich mich, ob wir die Vandalen sind, oder wer hier eigentlich der Vandale ist in dieser Diskussion.“

Silke Wölke, Anwohnerin:

„Ich glaube, dass es keinen gibt, der direkt hier Anwohner ist, der dafür ist, dass der Park nachts geschlossen wird. Diejenigen, die das sagen, wohnen nicht direkt um den Park herum … für die werden keine Wege direkt zerschnitten…. Die Lebensqualität im Stadtteil wird deutlich herabgesetzt, wenn der Zaun bestehen bleibt. …Ich hab die ganzen Einschränkungen die Jahre vorher und während der Gartenschau ertragen und hab mich drauf gefreut, wie es hinterher ist und bin jetzt total enttäuscht, wenn der Zaun da stehen bleiben soll.“

Klares Signal aus Wilhelmsburg: Der Zaun soll weg:

Ausführlicher Bericht auf wilhelmsburgonline.de

Einen Film von der Debatte:

findet ihr hier:
http://www.youtube.com/watch?v=fXjL2OVJ5B8&feature=youtu.be

Vielen Dank an Klaus Schmidt für Aufnahme und Schnitt!

Ton-Mitschnitt Park-Ratschlag am 11.2.2014

Sie brauchen sich nicht anmelden – entweder startet der Ton automatisch, oder Sie klicken auf den orangen Pfeil oben links.

Wilhelmsburg: “Das war schon immer unser Park”

„Auch nach dem Ende der Internationalen Gartenschau will das Bezirksamt Mitte den Zaun um das ehemalige Ausstellungsgelände stehen lassen. Doch viele WilhelmsburgerInnen sehen in dieser Maßnahme eine Vertreibung aus dem öffentlichem Raum – und kritisieren die mangelnde Dialogbereitschaft der Politik.“

Bericht auf HH-Mittendrin

Inselpark soll nachts schließen:

HA_13.02.2014_Inselpark soll nachts schließen

Hamburg Journal:

vom 12.2.2014  „Zaun oder nicht Zaun“

„Das Experiment wagen“

Bericht in „Der Neue Ruf“ am 15.2.2014

Das Experiment wagen – NeuerRuf

1 Antwort zu “Volkspark ohne Zaun! Klare Ansage beim Park-Ratschlag

  1. Antworten Andreas Schwarz Feb 14, 2014 15:50

    Als Besucher der Veranstaltung bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass die Kontroverse zwischen dem mehrheitlichen Meinungsbild der Wilhelmsburger auf Selbstbestimmung und der Ansage von den Bezirk-Mitte-Vertretern auf Verwaltungsobrigkeit ähnlich eindeutige Züge hat, wie sie sich im Rahmen der notwendigen Anti-Gentrifizierungsdebatte auf St. Pauli sowie kürzlich in der Einrichtung von „Gefahrenzonen“ im Schanzenviertel widerspiegeln. Versuche einer Sozialraumplanung,die aus der nicht-institutionellen Basis der Mitbürger entstehen, werden seitens der Verwaltungsorgane nachwievor als systemische Unsicherheitsfaktoren identifiziert und eingestuft, anstatt das Potenzial, das sich in ihnen zeigt, kompetent und sinnvoll für eine Gestaltung des „Lebensraumes Stadt“ zu nutzen.
    Anhand der Zaun-Debatte zeigen sich mir wieder einmal die Auswüchse einer gesellschaftlich-ideologischen Sinnkrise, die nur durch beharrlich beherztes und entschiedenes Auftreten der Mitbürger für ein Recht auf Mitbestimmung geklärt werden kann. Überzeugen kann an dieser Stelle nur selbstverantwortliches Verhalten.
    Experiment Wilhelmsburg : Ein Park als Lebens- und Erfahrungsraum ohne Zaun setzt hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein klares Signal für eine „sinnvoller werdende“ Stadtentwicklungspolitik – ein Signal, dem dann weitere Schritte folgen müssten.

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