Alle Bahnen stehen still, wenn die DEGES es so will 1

Mehrere Jahre Bahn-Chaos in Hamburg vorprogrammiert:
Bezirk Mitte soll bis 15.11. dem Bau von Hilfsbrücken und von Gleissperrungen an allen 8 Gleisen der Hamburger „Nord-Süd Hauptschlagader“ zustimmen

Nach der Planung der DEGES soll die Autobahn A26-Ost mitten durch Wilhelmsburg führen und dabei die Nord-Süd-Bahnstrecke unterqueren. Der Autobahntunnel unter der Bahn soll in offener Bauweise gebaut werden. Die 8 Gleise der Bahn (S-Bahn, Regionalbahn, IC, ICE, Güterbahn, Hafenbahn) sollen auf Hilfsbrücken verlagert werden, die nach Fertigstellung der Autobahn wieder abgebaut werden.

Ende letzter Woche erhielten die Fraktionen in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte (SPD, GRÜNE, CDU, LINKE, AfD und FDP) brisante Post von der DEGES mit Bitte um „etwaige Stellungnahmen“ bis 15.11. Der Öffentlichkeit wurde keine Mitteilung gemacht. Eine „vorläufige Anordnung“ durch die für den Bau der Stadtautobahn A26-Ost zuständige Planfeststellungs-behörde in der Verkehrsbehörde soll festlegen, dass die Hilfsbrücken südlich der Kornweide in Wilhelmsburg schon ab 2024 errichtet werden, obwohl es weder einen rechtswirksamen Planfeststellungsbeschluss noch eine gesicherte Finanzierung für die A26-Ost gibt.

Quelle: DEGES 2023: Übersichtslageplan, Bezeichnungen hinzugefügt.

 

Die Planung: Die A26-Ost überquert die Kornweide und die B75, fällt dann steil ab und unterquert die Bahn und die Siedlung Katenweg. Die Bahnen werden ab 2024/2025 auf acht Hilfsbrücken verlegt. Als Auflage werden Bohrpfahlwände und Bohrpfählestützen in den moorigen Untergrund gerammt und so tief verankert, dass sie auch als Spundwände für einen möglichen späteren Autobahntunnel fungieren können. Sind die Spundwände gebaut, wird die Baugrube für die Autobahn ausgehoben, der Tunnel für die A26-Ost gebaut und dann zugeschüttet. Danach wird die Bahn erneut verlegt auf den nun wieder geschlossenen Bahndamm. Die Prozedur dürfte wohl 5-10 Jahre dauern.

Ost-West-geplante Autobahn A26 – Nord-Süd- Eisenbahnen, von links nach rechts:
2 Gleise Hafenbahn, 4 Gleise Güter- und Personenbahn Richtung Norden, 2 Gleise S-Bahn.
An den Seiten werden die Pfähle so dicht gerammt, dass sie eine Spundwand bilden

Quelle: DEGES 2023, Unterlage zur vorläufigen Anordnung.

 

Der Einsatz von Hilfsbrücken für die Bahn ist ein standardisiertes Verfahren, das wir in unterschiedlicher Weise in Hamburg beobachten können, z.B. bei der Sternbrücke, dem Brücken am U-Bahnhof Wandsbek Gartenstadt und den Elbinselbrücken am Bahnhof Veddel und bei der Verlegung der S-Bahn Station Diebsteich. Bei allen Projekten gibt es Sperrungen, die teils geplant, oft aber auch unvorhergesehen verlängert werden müssen. Viele quälen sich mit dem völlig inadäquaten Ersatzverkehr. Bei der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Altona gibt es zwei Strecken, die wechselseitig als Ausweichstrecken dienen. 

Die Unterquerung der Bahn durch die geplante Autobahn A26-Ost wird allerdings zu einer hochkomplexen und höchst riskanten Operation an Hamburgs Eisenbahn-Hauptschlagader. Es gibt keine Ausweichstrecke, weder für die S-Bahn, noch die Regionalbahn, noch für die international unverzichtbaren Strecken des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes. Der Güterverkehr und Personen-und Güterverkehr für ganz Hamburg ist in Gefahr, wenn die Nord-Süd-Bahn nicht funktioniert: hier verlaufen direkt nebeneinander die beiden S-Bahn-Gleise, 4 Gleise für den Personen-Fernverkehr sowie 2 Güterbahntrassen. Mit 4 Weichen wird an dieser Stelle der Abzweig in den Hamburger Hafen geregelt. Neben der S-Bahn mit Stromschienen werden alle Trassen über Oberleitungen elektrisch versorgt. Die „organogenen Weichschichten“ auf der Elbinsel, in denen der Tunnel gebaut werden soll, haben schon bei dem Bau der Wilhelmsburger Reichsstraße die Kosten über das 6 fache in die Höhe getrieben, die Planung für den Köhlbrandtunnel mussten wegen des moorigen Baugrundes gestoppt werden.

Der Erläuterungsbericht für die Anordnung erwähnt Sperrzeiten für die Bahn, er listet sie aber weder zeitlich auf, noch legt er dar, wann welche Strecke gesperrt werden soll, und wie der Verkehr jeweils ersetzt werden soll. Neben absehbaren Sperrzeiten, die bereits mit der Bahn koordiniert sind, erscheinen weitere Überraschungen vorprogrammiert.

Die Auswirkungen für das komplexe und sensible Entwässerungssystem der Elbinsel seien hier nur erwähnt: U.a. soll die für die Entwässerung der südwestlichen Bereiche der Elbinsel zentrale „Südliche Wilhelmsburger Wettern“ komplett zurück gebaut werden.

Angesichts der erkennbar massiven Auswirkungen für die Gesamtstadt ist eine gründliche und öffentliche Befassung mit den geplanten Maßnahmen unverzichtbar. Das vorgegebene Zeitfenster von wenigen Tagen und die Erwartung einer quasi automatischen Zustimmung müssen von den Abgeordneten als Provokation empfunden werden. Die Planfeststellung für die A26-Ost läuft seit 2017; ein den Bau des Projektes sichernder Abschluss ist keineswegs garantiert und muss abgewartet werden.

Wir erwarten eine Befassung in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte und in der Hamburger Bürgerschaft. Wir schlagen eine öffentliche Anhörung zur Klärung der zahlreichen offenen Fragen (z.B. Zeitachsen, Auswirkungen auf den Hamburger Verkehr, Sicherheitsrisiken, Kosten, Einschätzungen zum Baugrund und zum Entwässerungssystem auf der Elbinsel, Abstimmung mit anderen geplanten Baumaßnahmen, wie die geplanten Erneuerungen der Bahnbrücken über die Süderelbe und die Freihafenbrücken) unter Beteiligung von Hamburger Verkehrsbehörde, Deutscher Bahn, S-Bahn, Wasserverbände, Anwohner etc vor.


So soll die Autobahn A26_Ost unter der Süd-Nord-Bahn ((S-B, IC/ICE, Regionalbahn, Güterbahn, Hafenbahnabzweig) verlaufen. Gebaut wird in offener Bauweise.
Screenshot aus der DEGES Visualisierung der geplanten A26-Ost


Ist der Bau der A26-Ost in trockenen Tüchern?

Eine vorläufige Anordnung für vorbereitende oder Teilmaßnahmen eines geplanten Baues, wie sie die DEGES anstrebt, setzt nach §17 Bundesfernstraßengesetz neben der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens (dieser ist bei der A26-Ost erfolgt) u.a. voraus, 1. dass es reversible Maßnahmen sind, 2. dass an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse besteht, 3. dass mit einer Entscheidung zugunsten des Trägers des Vorhabens (also der DEGES) gerechnet werden kann.

Die DEGES versucht das Bestehen dieser Voraussetzungen zu belegen, das gelingt ihr aber nicht.

1. Reversibel?
Beispielsweise kann die in der Anordnung vorgesehene Sperrung der jetzt auf der geplanten A26-Ost-Trasse verlaufenden Südlichen Wilhelmsburger Wettern faktisch nicht rückgängig gemacht werden.

2. Öffentliches Interesse?

Das öffentliche Interesse an einem fortwährenden Bahnverkehr von S-Bahn, Regionalbahn, Fernbahn, Transeuropäischem Eisenbahnnetz und besonders auch dem Güterverkehr überrragt deutlich das Interesse an einem schnellen Bau der A26-Ost. Es gibt auch bei einer zeitweiligen Sperrung der gesamten Trasse keine Ausweichmöglichkeit für den Nord-Süd-Bahnverkehr durch Hamburg (mit Ausnahme eines Teils des Hafenverkehrs über die Kattwyckbrücke): Die nächste elektrifizerte Nord-Süd-Bahnstrecke liegt 170km von Hamburg entfernt bei Wittenberge.

3. Eine Entscheidung für die A26-Ost ist alles andere als sicher,

da bisher noch gar kein Abschnitt der A26-Ost (weder 6a in Moorburg, noch 6b durch die Hohe Schaar, noch 6c durch Wilhelmsburg) planfestgestellt wurde. Für den Abschnitt 6b fehlt sogar noch eine von der DEGES angekündigte Änderung der Planung. Es wäre eine Verhöhnung des Gerichtes, wenn man jetzt so tut, als hätte das Gericht schon entschieden.

Außerdem ist die Finanzierung völlig offen.
Nach einem Bericht des Bundesverkehrsministerium vom Juli 2023 sind die Kosten der A26-Ost von 2014 bis 2022 um das 2,5fache gestiegen, das Bundesverkehrsministerium plant eine neue Priorisierung.
Der von der DEGES geplanten Anordnung darf weder der Bezirk Mitte noch die Freie und Hansestadt Hamburg zustimmen.



Schreiben an die Fraktionsbüros der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte vom 9.11.2023:

unter dem Betreff: „Planfeststellungsverfahren für den Neubau der A 26 Hafenpassage Hamburg, AS HH-Hohe Schaar – AD Süderelbe (Abschnitt 6c) Vorläufige Anordnung – Anhörung gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 Bundesfernstraßengesetz“

wurde der link mit den Planfeststellungsunterlagen der DEGES verschickt, mit der Bitte um „etwaige Stellungnahme bis zum 15.11.2023″

https://ddatabox.dataport.de/public/download-shares/pPpZuz8PxxfHEvPPZ5UROaTEZ8xSn12G


Der Download-link enthält Unterlagen in der Größe von 87 MB

Wegen der Datenmenge hier nur der Erläuterungsbericht und 2 grafische Darstellungen:

U01vA_Erläuterungsbericht

Draufsicht:  17-2_A26-6c_U15.2 Blatt02-01_vA

Querschnitt: 17-2_A26-6c_U15.2 Blatt02-02_vA


 

1 Antwort zu “Alle Bahnen stehen still, wenn die DEGES es so will

  1. Antworten Matthias Nov 17, 2023 12:21

    Danke dass ihr engagiert am Ball bleibt!
    Beste Grüße
    Matthias
    Volksinitiative http://www.rettet-Hamburgs-gruen.de

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