Bestand, Pläne und Visionen für den Wilhelmsburger Westen zwischen Veringkanal und Reiherstieg
//Mit den jüngsten Auseinandersetzungen um den Opernfundus, die Zukunft der Zinnwerke am Ostufer und der Soulkitchenhalle am Westufer sowie der aktuell drohenden Räumung der Fläche von „Soulkitchen im Exil“ steht der Veringkanal in Wilhelmsburg hamburgweit im Fokus.
Die Grundlinien, an denen sich die Flächenpolitik der Stadt orientiert, sind leicht zu beschreiben:
Der „Masterplan Industrie“ hat auch für diesen Senat Priorität und wird in der Allianz von Wirtschaftsbehörde und Handelskammer zentralistisch vollzogen; für die städtische Sprinkenhof AG zählt in erster Linie die maximale Verwertung der von ihr verwalteten Liegenschaften. Bezirkliche Planungen oder konkurrierende Nutzungen haben nur eine Chance, wenn sie sich durch massiven öffentlichen Druck Gehör verschaffen.
Und was ist mit der BSU? Ist das nicht die Behörde, die in dieser Stadt für Stadtentwicklung zuständig sein soll? Von eben dieser Behörde werden seit Jahren Zukunftskonferenzen, internationale Planungswerkstätten für den „Sprung über die Elbe“ und Gutachten finanziert, wie zwischen Veringkanal und Reiherstieg eine integrierte Planung unter Einschluss urbaner Nutzungen gelingen kann. Aber das scheint genau so wenig von Interesse wie der „Metrozonen“ – Schwerpunkt einer IBA, die ja gerade am Veringkanal die Vereinbarkeit von Stadt und Hafen demonstrieren sollte.
Wenn engagierte Bewohner*innen Stadtplanung jetzt selbst in die Hand nehmen wollen, stützen sie sich auf eine Fülle von Ideen und Perspektiven für diesen Raum, die seit den 90 ger Jahren veröffentlicht sind und spätestens mit der Zukunftskonferenz Eingang in die offizielle Planungsdebatte gefunden hatten.
Hier eine Zusammenstellung. Um Hinweise auf weitere Materialien wird gebeten:
Vorab die gültigen Bebauungspläne:
1956:
Baustufenplan Wilhelmsburg 63 von 1956 – vor allem noch relevant für das Industriegebiet am Westufer des Veringkanals
Ausschnitt Wilhelmsburger Westen zwischen Reiherstieg und Veringstraße
Baustufenplan 56 – Ausschnitt Wilhelmsburg-West
1988:
Bebauungsplan Wilhelmsburg 64 von 1988 – mit Gesetzestext – regelt die Bebauung für das Ostufer des Veringkanals
1988-B-Plan_Wilhelmsburg64-der Plan
1988-B-Plan_Wilhelmsburg64-das Gesetz
1997:
Flächennutzungsplan Wilhelmsburg
Für die Bebauung der Kirchdorfer Wiesen hätte im Flächennutzungsplan Grün in Rot umgewandelt werden müssen. Für Wohnen am Veringkanal müsste Grau in Rot umgewandelt werden.
2000:
Bebauungsplan-Entwurf Wilhelmsburg 88 – südlicher Veringkanal
Hier soll ein verträgliches Nebeneinander von Industrie im Westen und Wohnen im Osten des Veringkanals – südlich vom Gert-Schwämmle-Weg ermöglicht werden. Unklar ist, warum dieser Bebauungsplan im Entwurf-Stadium verharrt.
Wilhelmsburg 88-Bebauungsplan-Entwurf
2001:
Am 29.7.2001 kommt es zu einer Kesselexplosion bei den Nordischen Ölwerken (NOW) am Westufer des Kanals – keine 200 Meter von der Wohnbebauung an der Veringstraße entfernt. Der Feuerwehrbericht sowie Berichte in Abendblatt und Harburger Anzeigen und Nachrichten:
2001-07-29-NOW-Kesselexplosion
2002:
Während der Zukunftskonferenz Wilhelmsburg (2001/2002) wird von allen Arbeitsgrupen eine gemischte Nutzung beiderseits der Ufer des Veringkanals empfohlen. Hier eine Zusammenfassung der entsprechenden Passagen des Weissbuch
2003:
Bei der Internationalen Entwurfswerkstatt zum Sprung über die Elbe im Sommer 2003 wetteiferten mehrere internationale Teams um die besten Ideen für diesen Raum
Entwurfswerkstatt-Dokumentation
2004:
Mehrere Hamburger Planungsbüros veröffentlichen im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Entwicklungsperspektiven für Reiherstieg, Veringkanal und Spreehafen im Rahmen des Programms Stadtumbau West
Entwicklungsperspektiven Reiherstieg und Veringkanal
2005:
Von den selben Planungsuntersuchungen erfolgt eine umfangreiche Bestandsuntersuchung Wilhelmsburg West – einige Auszüge:
Veringkanal-Reiherstieg-Bestandsuntersuchung
2005:
Der Senat verfasst ein offizielles Memorandum zum Sprung über die Elbe unter dem Titel „Hamburg auf dem Weg zur Internationalen Bauausstellung“. Hier wird u.a. ein „städtebaulich anspruchsvoller Übergang zwischen Hafen und Stadt“ im Westen Wilhelmsburgs gefordert und eine Karte gezeigt, die „Wohnen und Arbeiten am Osten des Veringkanals“ propagiert:
Aus: Memorandum-fuer-eine-IBA-Hamburg 2013
2006:
Im Rahmen von „Stadtumbau West“ werden „Nutzungen von Tourismus und Freizeitpotentialen“ realisiert und wird die Reaktivierung von „Brachen am Reiherstieg“ für urbane Nutzungen diskutiert.
Tourismus und Freizeit am Veringkanal
StadtumbauWest-Reaktivierung Brachen-am-Reiherstieg
2007:
Hanjo A. Hautz schreibt eine lesenswerte Dissertation zu „Stadt und Hafen: Entwicklungsperspektiven für eine verträgliche Nachbarschaft von Stadt (-entwicklung) und Hafen (-wirtschaft)“
2007:
Im Bebauungsplan Wilhelmsburg 88 sollten beide Ufer des Veringkanals – zwischen dem Wasserturm im Süden und dem Gert Schwämmle Weg im Norden – im Sinne einer verträglichen Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten planungsrechtlich neu geordnet werden.
Bis heute ist dieser Entwurf nicht verabschiedet worden – offensichtlich gescheitert am 2007 errichteten Container-Lager am Westufer.
2009:
Die IBA veranstaltet ein Labor zum Thema „Klimafolgen-Management“. Dabei werden konkrete Empfehlungen für den Veringkanal erarbeitet:
Klimafolgen-Management am Veringkanal
2010:
Ausstellung „Grüne Perspektiven für den Veringkanal“ im Rahmen der IBA
Ausstellung Grüne Perspektiven für den Veringkanal IBA HAMBURG
2011:
Sanierungsgebiet Wilhelmsburg S5 – Südliches Reiherstiegviertel
„Städtebauliches Erneuerungskonzept“
das reicht bis an die Industriestraße im Westen, umfasst also beide Ufer des Veringkanals
Sanierungsgebiet S5 – Plan und Konzept
2012/13:
Aktuelle Planungen des Bezirksamt Hamburg-Mitte.
Hier werden im „Wohnungsbauprogramm“ „Potentialflächen“ und „Suchräume“ identifiziert. Das Gebiet rund um den Veringkanal ist nicht dabei.
TEIL WILHELMSBURG_VEDDEL_KL_GRASBROOK_wbp2013d-Wohnungsbauprogramm Mitte
Im Gewerbeflächenkonzept wird am Westufer des Veringkanals eine Potentialfläche Industriestraße 101 identifiziert, bei dem es sich planungsrechtlich um ein Industriegebiet gemäß Baustufenplan Wilhelmsburg vom 06.01.1956 handelt. Empfohlen wird: „Suche und Bereitstellung eines geeigneten Ersatzstandortes für das Soul Kitchen; Vermarktung der Fläche für nicht-störende, wohnortverträgliche Nutzungen; Hinweis: Dies steht im Widerspruch zur planerischen Ausweisung (I nach Baupolizeiverordnung)“
Gewerbeflächenkonzept-Veringkanal-etc
2013:
Bei der „Planungswerkstatt Elbinsel 2013+“ ist Wohnungsbau am Veringkanal mittlerweile keine zugelassene Option mehr. Stattdessen wird die Planungsrunde aus BSU, Bezirk und einigen Bürgern von der Senatsentscheidung für die Verlagerung des Opernfundus an diese Stelle kalt erwischt.
2013-Protokoll Zwischenbilanz 22.02.2013-Teilraum-Veringkanal
Dokumentation zum Teilraum Veringkanal Seite 28/29
2013-02-20_Doku_2. Planungswerkstatt
Wohnen, wo das Leben auch mal lärmt!
Was ist in Deutschland rechtlich möglich und was sollte auch mal möglich sein?
Vortrag im Rahmen der Veranstaltung
„Urban 2030 – die Zukunft von Arbeiten und Wohnen in der Stadt“
der Handelskammer Hamburg am 13.08.2013
Rechtsanwalt Dr. Klaus-Martin Groth
Wohnen, wo das Leben auch mal lärmt!