Krankenhaus „Groß-Sand“: JETZT ist die Stadt gefordert!

Es ist verdächtig still geworden um das Wilhelmsburger Krankenhaus „Groß Sand“.
Das Bistum hält sich weiter bedeckt. Auch die Kolleg*innen im Haus erfahren wenig Neues und sind sehr verunsichert. Der von der Behörde eingerichtete „Lenkungsausschuss“ hat seit Wochen nicht mehr getagt. Gleichzeitig wird im Hintergrund über einen neuen Träger verhandelt.

Jetzt kommt das Thema aber überraschend auf die Tagesordnung der letzten Sitzung der Bürgerschaft in diesem Jahr: Die Partei DIE LINKE beantragt für die Sitzung am 16.12. 2020, Groß-Sand in städtische Trägerschaft zu überführen (Antrag im Anhang unten). Im Vorfeld, am 10. 12.2020, soll es eine online-Diskussion über die Zukunft von Groß-Sand geben.

Das Bündnis „Aktion Krankenhaus Groß-Sand bleibt!“ äußerst sich zur aktuellen Lage hier mit einer eigenen Stellungnahme und ruft zu einer Kundgebung vor dem Hamburger Rathaus am 15.12. um 17 Uhr auf:


Krankenhaus „Groß-Sand“ – JETZT ist die Stadt gefordert!

Das Klinikum Groß-Sand in Hamburg Wilhelmsburg ist kein städtisches, sondern ein kirchliches Krankenhaus. Richtig!

Aber heißt das, dass das Erzbistum Hamburg damit nach Belieben schalten und walten kann? Das Haus an einen neuen Träger verkaufen, der womöglich ganze Abteilungen oder die Notfallambulanz schließen kann? Nein, das heißt es nicht; denn es gibt eine staatliche Krankenhaus- und Bettenplanung, eine Krankenhausaufsicht, die auch für kirchliche Häuser zuständig ist. Deren Aufgabe ist die „Sicherstellung“, die Gewährleistung einer gesundheitlichen Grund- und Notfallversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt – in allen Hamburger Stadtteilen. Wilhelmsburg wird in den nächsten Jahren auf über 70000 Menschen stark anwachsen.

Müssen aktuell nicht die Alarmglocken läuten?

• Verhandlungen über einen Verkauf in aller Stille:
Das Erzbistum steht in Verhandlungen mit einer Reihe von potenziellen neuen Trägern, – wir wissen bisher nicht, mit wem.
Wir wissen aber um den massiven ökonomischen Druck, unter dem besonders kleine Krankenhäuser stehen. Vor allem in der Chirurgie, in der Ambulanz und auf den Intensivstationen müssen Kapazitäten für Notfälle vorgehalten werden, die „sich nicht rechnen“. Die aktuelle Infektionslage zeigt dies in aller Deutlichkeit. Es steht deshalb zu befürchten, dass ein neuer Träger vor allem an den profitablen Bereichen interessiert ist und das sind in Groß-Sand derzeit die Rehaklinik und die Abteilung für neurologische Rehabilitation. In solchen Verkaufsverhandlungen werden unbemerkt von der Öffentlichkeit Weichen gestellt und das vermutlich auch sehr schnell: denn solche Eigentümerwechsel erfolgen in der Regel zum Jahresende.

• Erzbistum überfordert und kopflos:
Briefe und Kontaktversuche werden seit Monaten ignoriert. Gesprächstermine werden abgesagt. Offensichtlich steht der Erzbischof wegen der Rolle während seiner Zeit in Köln massiv unter Druck (mehr s. z.B. Bericht im Domradio im Anhang unten). Ein derart geschwächter Träger hat dabei keine gute Verhandlungsposition und könnte bereit sein, für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbare Teile des Hauses einem halbwegs lukrativen Deal zu opfern.

• Lenkungsausschuss kalt gestellt:
Angesichts der Unsicherheiten der Mitarbeiter*innen, der Unklarheiten des Trägers und der öffentlichen Proteste galt die Einrichtung eines „Lenkungsausschuss Groß-Sand“ als großer Erfolg: Die entscheidende Schnittstelle zwischen dem Erzbistum als Träger und der Hamburger Gesundheitsverwaltung mit dem Ziel, am Gemeinwohl orientierte Zukunftslösungen zu erarbeiten. Dieser Lenkungsausschuss hat seit vielen Wochen nicht mehr getagt. Das teilte die zuständige Senatorin Leonhard bei der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft am 3.11. mit. Grund sei, dass das Erzbistum es bisher nicht geschafft habe, „seine Zukunftsüberlegungen zu Ende zu bringen.“ Gleichwohl bekräftigte die Senatorin ihren Willen, „für Wilhelmsburg ein zukunftsfähiges Krankenhausangebot zu erhalten.“ Dazu gehört ein stationäres Angebot und eine gute Notfallversorgung. Aber: „Es ist nicht unser Haus und wir sind im Moment nur beratend dabei.“ (Protokoll vom 3.11. im Anhang unten)

• Abwanderung qualifizierten Personals:
Von der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD Claudia Loss wurde in der Sitzung am 3.11. darauf hingewiesen, dass wegen der unsicheren Lage qualifiziertes Personal das Krankenhaus Groß-Sand verlassen wird.
Auch so kann es zu einem „Aus“ für zentrale Bereiche eines Krankenhauses kommen.
Die Senatorin stimmte zu, hofft aber, dass „es in einer angemessenen Frist zu einer Grundsatzentscheidung“ kommen möge.

Fast 10 000 Menschen haben innerhalb von 3 Wochen für den Erhalt ihres Wilhelmsburger Krankenhauses unterschrieben

 

Angesichts dieser Lage läuten die Alarmglocken! Die Stadt darf nicht nur beratend, sie muss jetzt steuernd eingreifen und die für die Versorgung des Stadtteils und der umliegenden Betriebe unverzichtbaren Standards sicherstellen.

Dazu gehören:

• Ein Moratorium zur Sicherung des Bestandes: kein Abbau, keine vollendeten Tatsachen als „Vorleistung“ gegenüber einem neuen Träger.

• Der neue Träger muss Groß-Sand als allgemeines Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung erhalten. Kein Krankenhaus „light“.

• Kein „Portal-Krankenhaus“, von dem aus Patienten lediglich ins „Mutterhaus“ weitergeleitet werden.

• Der neue Träger muss „Wilhelmsburg-Ziele“ haben und Gesundheitsperspektiven für den Stadtteil, die Betriebe, den Hafen und den Hamburger Süden insgesamt entwickeln.

• Der neue Träger muss auch attraktiv für Mitarbeitende sein, z. B. durch Tarifanwendung.

• Der neue Träger muss bereit sein, erheblich zu investieren und den Krankenhausstandort Wilhelmsburg auszubauen.

• Der neue Träger soll einen wirklichen Beitrag zur Ausbildung neuer Pflegekräfte leisten, z.B. durch einen Neustart der Pflegeschule entsprechend dem Konzept „Pflegecampus Wilhelmsburg“.

Trägerschaft durch das UKE in Erwägung ziehen

Wenn ein privater Träger diese Standards nicht gewährleisten kann, dann muss eine öffentliche Trägerschaft her. Als 2004 das Altonaer Kinderkrankenhaus von Schließung bedroht war, hat die Stadt interveniert. Eine Tochtergesellschaft des UKE hat damals die Trägerschaft übernommen.
Wäre dies nicht auch ein Modell für die Zukunft von Groß-Sand als unverzichtbares Allgemeines Krankenhaus im Hamburger Süden? Hier sind vielfältige Synergien zwischen einem Universitätskrankenhaus und einem Basiskrankenhaus vorstellbar: Bei der Kooperation in der Patientenversorgung, bei der Ausbildung von ärztlichem Nachwuchs und von Pflegepersonal bis hin zur Versorgungsforschung.

Das Krankenhaus Groß-Sand kann und muss gerettet werden!

Über 450 Mitarbeiterinnen in Groß-Sand setzen ihre Hoffnung auf die Sicherstellung des gesundheitlichen Versorgungsauftrages durch die zuständige Gesundheits- und Sozialbehörde.
Fast 10 000 Unterschriften sind ein Signal für die Stimmung und die Erwartungshaltung der Menschen in Wilhelmsburg, in den umliegenden Betrieben und im gesamten Hamburger Süden.
Die zuständige Senatorin steht in der Verantwortung. Die Stadt ist gefragt. Sie kann dabei weiterhin auf die Menschen vor Ort setzen, für die der Erhalt ihres allgemeinen Stadtteilkrankenhauses unverzichtbar ist.



Diese Erklärung und Aufruf zur Kundgebung am 15.12.2020 des Bündnisses „Aktion Krankenhaus Groß-Sand bleibt!“ als pdf:

20201205_Gross-Sand-JETZT ist die Stadt gefordert


Zahlreiche Presseberichte, z.B.:

Domradio.de vom 20.11.2020:

Erzbischof Heße wendet sich an Bischofskongregation

Rom soll entscheiden

Nach der Debatte über Missbrauch im Erzbistum Köln wendet sich der Hamburger Erzbischof Stefan Heße nun an den Vatikan. „Ich kann nicht Richter in eigener Sache sein“, so Heße. Rom soll auch über Konsequenzen für Heßes Bischofsamt entscheiden.“


Antrag von DIE LINKE für die Bürgerschaftssitzung am 16.12.2020

A N T R A G Gesundheitsversorgung auf der Elbinsel sicherstelllen. Krankenhaus Groß-Sand in städtische Trägerschaft überführen.


Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft. Protokoll der Sitzung vom 3.11. 2020: Der Tagesordnungspunkt „Gross-Sand“ ist ab Seite 10 wörtlich dokumentiert.

ProtGesA22-042020-11-03

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